»Polyphonie des spätantiken Christentums«

Dies ist das Thema des großen Projekts, das der Althistoriker Hartmut Leppin von der Goethe-Universität in Frankfurt/Main aus seinem mit 2,5 Millionen Euro dotierten Leibniz-Preis finanzieren kann. Forscherinnen und Forscher verschiedener historisch ausgerichteter Disziplinen werden bis 2022 erforschen, wie sich die Vielfalt und Vielsprachigkeit des Christentums vom 4. Jahrhundert bis zum 9. Jahrhundert entwickelte und wie sich das Verhältnis zwischen den Christentümern und den Großreichen gestaltete.

Das Team von zurzeit sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Erfahrungsstufen ist seit einigen Wochen komplett, die Forschungen sind angelaufen, erste Seminare haben stattgefunden Den Gastvortrag der Eröffnungsveranstaltung am kommenden Dienstag hält Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate, Alumnus der Goethe-Universität und Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie. Er spricht über die Geschichte und Gegenwart der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche. Die äthiopische Kirche gehört zu den Kirchen, die eine ungewöhnliche Kontinuität zur Antike aufweisen und immer noch lebendig sind, im Gegensatz zu anderen Kirchen des Nahen Ostens, die gerade in diesen Tagen existenziell gefährdet sind. So soll ein Bogen von der historischen Forschung, die auch der Bewahrung des kulturellen Erbes dient, zur Gegenwart geschlagen werden.

Polyphonie steht für die Vielfalt von Formen christlichen Glaubens, wie Leppin sie bereits in seinem ebenfalls von der DFG geförderten Reinhart-Koselleck-Projekt zu "Christianisierungen im Römischen Reich" untersucht hat. Die großzügigen Mittel des Leibniz-Preises erlauben eine räumliche, zeitliche und vor allem sprachliche Erweiterung. Die Erforschung dieser Vielfalt erfolgt bewusst aus einer historischen Perspektive. "Dabei sollen, neben den verschiedenen Ausprägungen des Christentums griechischer und lateinischer Sprache, insbesondere auch die sogenannten orientalischen Christentümer untersucht werden", so Hartmut Leppin, "das heißt, wir wollen gerade die Formen des Christentums betrachten, deren wichtigste Texte in Sprachen wie etwa Altäthiopisch, Arabisch, Armenisch, Georgisch, Koptisch und Syrisch geschrieben wurden und deren Zentren oft außerhalb des Römischen Reiches lagen."

Insbesondere sollen sprachliche, intellektuelle, religiöse und politische Austauschprozesse zwischen den verschiedenen christlichen Kulturen und Sprachräumen in den Blick genommen werden, um damit eine globale und differenzierte Perspektive auf die Geschichte der Spätantike in einem weiten Verständnis zu gewinnen. Deshalb arbeitet das Team des Leibniz-Projekts auch mit verschiedenen anderen Forschern der Goethe-Universität zusammen, die sich mit diesen Sprachen und Räumen befassen, so etwa der Indogermanistik am Institut für empirische Sprachwissenschaft, dem Institut für Islamische Studien und der Forschungsstelle für Byzantinische Rechtsquellen am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte.

"Die Forschung soll auch dazu beitragen, die Entwicklung des spätantiken Christentums in weltgeschichtliche Zusammenhänge einordnen zu können", betont Hartmut Leppin. Es soll neben dem bereits skizzierten Forschungsprogramm auch der Frage nach dem Verhältnis von Religion und Großreich nachgegangen werden: Inwiefern stützten Universalreligionen die Stabilität von Reichen oder bildeten ein Gegengewicht? War Toleranz in Großreichen mit ihrer kulturellen und religiösen Vielfalt wahrscheinlicher? Begünstigten Reiche gar religiöse Minderheiten, die auf das Wohlwollen der Herrscher angewiesen waren? Diese Aspekte sollen vor allem im Rahmen internationaler Tagungen untersucht werden.

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