Objekte als Botschafter
Man kennt das: Wenn das Auto nicht anspringt, redet man ihm gut zu. Wenn der Computer mal wieder den Drucker nicht findet, beschimpft man das Gerät. »Viele Dinge, viele Objekte haben für uns Menschen eine Bedeutung, die über ihren eigentlichen Wert hinaus geht. Indem wir sie mit Bedeutung aufladen, werden sie zu emotionalen Objekten«, sagt Babett Edelmann-Singer. Die Professorin ist Historikerin und forscht in den kommenden zwei Jahren, ausgestattet mit einer Heisenberg-Stelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).
Jüdische Kultgegenstände im Triumphzug
»Materielle Kultur und Herrschaft« lautet einer ihrer Forschungsschwerpunkte, Objekte spielen dabei eine zentrale Rolle – Objekte, wie beispielsweise die Heiligtümer aus dem jüdischen Tempel in Jerusalem. »Wir kennen eine textliche Überlieferung aus dem 6. Jahrhundert, in der eine Prozession geschildert wird, bei der diese Heiligtümer angeblich durch Konstantinopel getragen wurden«, sagt Edelmann-Singer. Tatsächlich hatten römische Truppen den Jerusalemer Tempel im Jahre 70 n. Chr. zerstört; die erbeuteten Kultgeräte wurden später als Zeichen für den Sieg über die Juden im Triumphzug durch Rom geführt. Eine bildliche Darstellung dieses Triumphzugs lässt sich noch heute auf dem Titusbogen in Rom bewundern. Danach allerdings verliert sich die Spur der Heiligtümer.
Dass sie etliche Jahrhunderte später in Konstantinopel wieder aufgetaucht sein sollen, ist nach Edelmann-Singers Ansicht ein gutes Beispiel dafür, wie Objekte Botschaften transportieren. »Mit der Parallele zum Triumphzug in Rom sagt der Autor zum einen, dass Konstantinopel einen Sieg errungen habe, wie vor ihm nur ein römischer Kaiser«, erklärt sie. Zum anderen zeige sich daran: »Dinge wandern mit der Macht!« Gleichzeitig werde mit dieser Darstellung eine unterschwellige Warnung ausgesprochen: »Macht ist immer nur auf Zeit verliehen. Sie kann auch verloren gehen«.
Macht muss immer neu erzeugt werden
Die Frage, wie bestimmte Objekte zum Erhalt, zur Transformation oder dem Ende sozialer und kultureller Bedingungen, insbesondere in Machtstrukturen, beitragen, steht im Mittelpunkt von Babett Edelmann-Singers Forschungsprojekt, dem sie in den kommenden zwei Jahren in Würzburg nachgehen wird. »Auf der Basis moderner Machttheorien, die betonen, dass Macht nicht besessen werden kann, sondern immer neu erzeugt werden muss, frage ich nach der Rolle von materieller Kultur in diesen Prozessen.«
Nach vier Jahren an der LMU in München ist Edelmann-Singer in diesem Herbst an die Universität Würzburg gewechselt. »Würzburg ist aus Sicht einer Althistorikerin ein äußerst attraktiver Standort«, sagt sie. Rene Pfeilschifter, Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte, biete mit seiner Forschung sehr gute Anknüpfungspunkte für ihre Arbeit. Dazu komme ein hervorragendes Umfeld mit Expertinnen und Experten der Klassischen Archäologie, der Ägyptologie, der Altorientalistik, der Klassischen Philologie und nicht zuletzt der Religionswissenschaft.
Die Rolle der Kaiserpriesterin in römischen Provinzen
Religion kommt in Babett Edelmann-Singers zweitem Projekt ins Spiel, das sich um sogenannte »Kaiserpriesterinnen« dreht. Für sie hatte sich die Historikerin schon im Rahmen ihrer Habilitation interessiert, in deren Mittelpunkt Provinziallandtage im römischen Reich standen. »Provinziallandtag: Der Begriff führt eigentlich in die Irre«, sagt sie. Vielmehr habe es sich bei diesen Gremien um Kultgemeinschaften gehandelt, in denen sich in römischen Provinzen die früheren Eliten zusammengeschlossen hatten, um ihre Interessen zu sichern und ihre Ziele auch unter römischer Herrschaft zu verfolgen. An der Spitze dieser Gemeinschaften stand in der Regel ein Priester, häufig aber auch eine Priesterin.
»Lange Zeit war die vorherrschende Meinung in der Wissenschaft, dass es sich bei diesen Priesterinnen um die Ehefrauen von Priestern handeln müsse«, sagt Edelmann-Singer. Eine andere Theorie geht davon aus, dass Priesterinnen erst zu dem Zeitpunkt auftauchten, als römische Kaiserinnen als Gottheit verehrt wurden. Edelmann-Singer kommt in ihren Studien zu den östlichen Provinzen zu einem anderen Schluss: »Aus griechischen Inschriften sind uns rund 70 Kaiserpriesterinnen bekannt. Einige von ihnen waren schon im Amt, als es noch keine vergöttlichte Kaiserin gab.« Darüber hinaus lasse sich nicht in jedem Fall ein dazugehöriger Mann finden. Es könne also nicht stimmen, dass diese Frauen nur ein »Anhängsel« ihrer Männer waren. Dementsprechend müssten sie als Machtträgerinnen eingeordnet werden, die in die Elitenetzwerke ihrer jeweiligen Familien integriert waren.
Gut 120 originale Quellen – Ehreninschriften, Grabinschriften, Bauinschriften und bisweilen auch Münzen – bilden die Basis für dieses Forschungsprojekt. Ein »überschaubares Korpus«, mit dem sich trotzdem gut arbeiten lässt, findet Babett Edelmann-Singer. Und auch wenn Ausgrabungen regelmäßig neues Material liefern, blieben viele Fragen offen. Für sie als Wissenschaftlerin sei das kein Manko, schließlich liefern offene Fragen immer den Anstoß für weitere Forschung.
Babett Edelmann-Singers Lebenslauf
Babett Edelmann-Singer hat von 1994 bis 1999 Germanistik und Geschichte an den Universitäten Regensburg und Leicester studiert und mit dem 1. Staatsexamen abgeschlossen. Von 2003 bis 2005 absolvierte sie das Referendariat, 2005 wurde sie mit einer Arbeit über die religiöse Legitimation orientalisch-ägyptischer und griechisch-hellenistischer Herrscher in der Antike promoviert. 2013 schloss die Historikerin ihre Habilitation ab.
Weitere Stationen ihrer Karriere waren Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten in Regensburg und Erlangen-Nürnberg sowie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2019 ist sie außerplanmäßige Professorin an der Universität Regensburg und lehrte 2021 als Gastprofessorin im Sonderforschungsbereich 933 »Materiale Textkulturen« am Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik der Universität Heidelberg
Von 2018 bis 2022 forschte Babett Edelmann-Singer mit einer Heisenberg-Stelle an der LMU München. Seit September 2022 ist sie mit dieser Heisenberg-Stelle am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Würzburg angegliedert.
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