Neuzeitliche Lazarett-Reste und mittelalterlicher Hof

Erneut offenbart sich die Vielfalt im Boden Paderborns: Ein Archäologie-Team untersucht unter fachlicher Begleitung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) eine 550 Quadratmeter große Parkplatzzufahrt an der Ecke Neuhäuserstraße/Paderstraße, wo bald der Bildungscampus des St. Johannissifts erweitert werden soll. Der Boden gab bisher Spuren aus dem frühen Mittelalter (7. und 8. Jahrhundert) und Fundamente eines alten Lazaretts preis, das während des Zweiten Weltkrieges zerstört worden ist.

Grabungsfläche
Blick von Nord-Osten auf die Grabungsfläche: In der Mitte zeichnet sich die dunkle Verfärbung des Abgrenzungsgraben, im Hintergrund die neuzeitlichen, bisher unbekannten Kellerräume, die während der Ausgrabung zutage getreten sind. Foto: EggensteinExca/Süße

Der Bildungscampus des Johannisstifts soll erweitert werden, die Umsetzung der Pläne soll bald beginnen. Doch zuvor waren archäologische Untersuchungen nötig, da in unmittelbarer Umgebung bereits Fundstellen bekannt sind. 2017 ergaben Untersuchungen im Vorfeld des Neubaus des Carl-Böttner-Hauses, dass hier eine der Paderterrassen verläuft. »Naturräumlich ist der fruchtbare Lössboden auf der hochwasserfreien, südlichen Paderterrasse als Siedlungslage prädestiniert,« erklärt LWL-Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai. Zumal die gut 150 Meter entfernte Pader früher hier Siedelnden Nahrung und Wasser bot.

Mehr als einen Meter unter dem Pflaster kamen auf der Grabungsfläche die Spuren einer frühmittelalterlichen Hofstelle ans Licht. Die Befunde sind stark durch moderne Bodeneingriffe gestört, dennoch lassen sich im Nordteil der Fläche einige Öfen rekonstruieren: Einer im Westen, gleich mehrere nebeneinander im Osten. Die Fachleute nennen das eine Ofenbatterie. Es handelt sich um Erzverhüttungsanlagen zur Gewinnung von schmiedbarem Eisen. Die Öfen konnten nur einmal benutzt und mussten nach dem Verhüttungsprozess zerstört werden, um an die eisenreiche Luppe heranzukommen. Die Anordnung zweier Öfen an einer Arbeitsgrube legt für die Fachleute nahe, dass auch mehrere Verhüttungsanlagen gleichzeitig betrieben wurden.

»Wir haben dort kleine Schlackereste gefunden, die auf Metallgewinnung vor Ort hinweisen,« erklärt Robert Süße, Grabungsleiter der beauftragten Fachfirma. »Die Lage der Öfen konnten wir anhand des durch Hitze rötlich verziegelten Lehms des Feuerraums und der mit Holzkohle angereicherten schwarzen Verfüllung von Feuerungskanal und Arbeitsgrube eindeutig erkennen«, fügt er hinzu.

Alle Öfen befinden sich nördlich eines Grabens, den die Expert:innen aufgrund seines Verlaufes als Grenzgraben für den Hof interpretieren. Vermutlich wurden die Öfen aus Brandschutzgründen entfernt vom eigentlichen Hof platziert. Der Graben kann über mehr als 20 Meter als dunkle Verfärbung im gelben Lehm verfolgt werden und hatte einer Breite von etwa 1,1 bis 1,3 Metern. Eine gerundete Ecke im Nordosten deutet für die Expertinnen und Experten einen rechteckigen Verlauf an. Eine zweifache Unterbrechung lässt sich als Überrest einer ehemaligen Torsituation interpretieren. Der eigentliche Hof befand sich südwestlich unterhalb des Parkplatzes in Richtung Neuhäuser Straße.

Lazarett-Überreste: Warum Dokumentation so wichtig ist

Neben Zeugnissen aus dem Mittelalter haben die Baggerarbeiten neuzeitliche Mauerreste zutage gebracht. Es handelt sich um die Fundamente des ehemaligen Militärlazaretts, dass sich in Stadtplänen bereits vor 1877 nachweisen lässt. Das komplette Gebäude wurde durch die Bombardements im März 1945 zerstört, nur die zweiflügelige westliche Hälfte wurde wieder aufgebaut, während die vordere Ruine abgerissen wurde. »Das archäologische Dokumentieren von neuzeitlichen Gebäuden ist heute extrem wichtig, betont Gai, »da die ehemaligen Grundrisse von heute nicht mehr existierenden Bauten entweder gar nicht oder nur zufällig und damit unzureichend in Plänen festgehalten sind. Diese sind dann häufig auch nicht maßstabsgetreu.«

»Die ersten maßstabsgetreuen Pläne haben wir erst mit dem preußischen Urkataster im 19. Jahrhundert. Zuvor wurden selten Detailpläne von Gebäuden gemacht oder sie gingen verloren. Hinzu kommt, dass bei Abrissarbeiten damals denkmalpflegerische Aspekte kaum eine Rolle spielten.«, so Gai weiter. Unterhalb der neuzeitlichen Mauern zeigen sich außerdem ältere Überreste. »Das Profil einer frühmittelalterlichen Grube, womöglich eines Grubenhauses, das zum Hof gehörte, konnten wir dem Ziegelboden eines Halbkellers ausmachen«, sagt der Grabungsleiter. Das Abtragen der Mauerreste mit Bagger wird nun zeigen, inwieweit diese Grube sich nach Süden erstreckt, so der Archäologe weiter.

120 Meter sowie bloß 250 Meter von der aktuellen Ausgrabung entfernt sind den Archäologinnen und Archäologen weitere Fundstellen bekannt, die anhand des Fundmaterials in das 7. bis 11. Jahrhundert datiert werden können. Hier haben vor Karls des Großen Zeiten bereits Hofstellen gestanden.

»Die von den jetzigen Untersuchungen betroffene Stelle befindet sich also in einem sehr interessanten Gebiet«, betont Gai. Dazu kommt, dass Paderborn dank seiner Königspfalz eine Fülle mittelalterlicher archäologischer Zeugnisse bereithält. Die Zeit vor den Karolingern, also das Frühmittelalter, ist jedoch verhältnismäßig dünn vertreten. Daher freut sich die Stadtarchäologin: »Der archäologische Nachweis dieser bisher rar dokumentierten Siedlungsgebilde während des 7./8. Jh. im Paderborner Stadtgebiet ist ein Glücksfall für die Forschung, die bisher oft nur aus zeitgenössischen Quellen schöpfen konnte.«

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