Neue Publikationsreihe »Archäologie in Westfalen-Lippe« geht an den Start
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat den ersten Band seiner neuen Reihe »Archäologie in Westfalen-Lippe« vorgelegt. Zukünftig werden die LWL-Archäologie für Westfalen und die Altertumskommission für Westfalen mit der Publikation einmal im Jahr über aktuelle Forschungsergebnisse informieren. Im Mittelpunkt stehen die interessantesten Grabungen, die wichtigsten Erkenntnisse aus der Forschungs- und Projektarbeit und die größten Ausstellungen des vergangenen Jahres. Der erste 292-seitige Band »Archäologie in Westfalen-Lippe 2009« umfasst 77 Beiträge von 81 Autoren.
"Diese ansprechend gestaltete und reich illustrierte Reihe soll die interessanten Ergebnisse archäologischer und paläontologischer Forschung zeitgemäß und zeitnah präsentieren", erläutert LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch die Bedeutung der neuen Publikationsreihe. Die LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale ergänzt: "Die wichtigen Aufgabenfelder und die vielen sehenswerten Funde der Archäologie in Westfalen sollen hier vor allem auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden."
Allgemein verständlich, aber auch fachlich fundiert wird in den drei Rubriken "Ausgrabungen", "Forschungen und Projekte" und "Ausstellungen" von den archäologischen und paläontologischen Tätigkeiten des vergangenen Jahres berichtet. Autoren sind die Wissenschaftler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) sowie verschiedene Mitarbeiterinnen der westfälischen Stadtarchäologien und Universitäten.
"Die neue Reihe tritt damit die Nachfolge des 'Neujahrsgrußes‘, des bisherigen Jahresberichtes der LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskommission für Westfalen, an. Mit ihrem modernen Layout reiht sie sich in die zeitgemäßen Publikationsstandards anderer Landesarchäologien ein und schafft so eine bundesweite Kommunikationsebene für die Forschungsergebnisse der westfälischen Archäologie", meint Prof. Dr. Michael M. Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. In der neuen Reihe äußern sich nicht nur Archäologen und Paläontologen, sondern auch Archäobotaniker, Archäozoologen, Historiker und Restauratoren. Deren Forschungen werden zudem durch Materialanalysen und CT-Scans bereichert. "Interdisziplinäre Zusammenarbeit und institutionelle Vernetzung werden in der gegenwärtigen Wissenschaft und Forschung immer wichtiger. Ich freue mich sehr, dass die neue Reihe diesem Bestreben in so beeindruckender Weise nachkommt", bilanziert Prof. Dr. Torsten Capelle, Vorsitzender der Altertumskommission für Westfalen.
Hintergrund
Im ersten, jetzt vorliegenden Band decken die Artikel den großen Zeitraum von der frühen Erdgeschichte bis zur Neuzeit ab. Das Fundspektrum reicht von Fossilien aus der Zeit vor 296 bis 251 Millionen Jahren bis zu dem bisher ältesten erhaltenen Reisigbesen Westfalens aus dem 17. Jahrhundert.
Nieheim: Schwimmsaurier in einer Ziegelei-Tongrube entdeckt
Im Osten Westfalens wurde im Juni 2007 in einer Ziegelei-Tongrube bei Nieheim (Kreis Höxter) das etwa vier Meter lange Skelett eines Schwimmsauriers entdeckt, durch Mitarbeiter des LWL-Museums für Naturkunde geborgen und anschließend präpariert. Im September 2009 begann an der Universität Bonn die wissenschaftliche Bearbeitung. Aufgrund der 76 relativ gut erhaltenen Wirbel konnte eine Rekonstruktion des gesamten Skeletts vorgenommen werden. Der Saurier gehörte zur Gruppe der langhalsigen Plesiosauroidea aus dem mittleren Abschnitt des Unterjuras (vor circa 188 Millionen Jahren).
Olfen-Kökelsum: Das größte Haus Westfalens aus der Bronzezeit
Auf dem Areal eines geplanten Freizeitbades in Olfen-Kökelsum (Kreis Coesfeld) entdeckten LWL-Archäologen einen Siedlungs- und Bestattungsplatz. Die teilweise außergewöhnlichen Funde (schlüssellochförmige Grabanlagen, Glas, Fibeln) sprechen dafür, dass der Ort auffallend lange von der mittleren Bronzezeit (1600 bis 1200 v. Chr.) bis in die späte vorrömische Eisenzeit (450 v. Chr. bis Christi Geburt) besiedelt war. Besonders bemerkenswert sind die drei dort entdeckten bronzezeitlichen Gebäudebefunde, die in Westfalen ausgesprochen selten sind und mithilfe entsprechenden Funden in den Niederlanden rekonstruiert wurden. Das Langhaus ist knapp sechs Meter breit sowie 32,5 Meter lang und stellt somit das größte bronzezeitliche Gebäude dar, das bislang in Westfalen bekannt ist.
Halver: Schatzfund aus 236 silbernen Pfennigen geborgen
Im Sommer 2009 fanden LWL-Archäologen der Außenstelle Olpe in Halver (Märkischer Kreis) einen sogenannten Kugeltopf mit 236 Silbermünzen. Die für das hohe Mittelalter charakteristische Gefäßform datiert in das späte 11. Jahrhundert. Auch die Zusammensetzung des Schatzfundes - der Großteil der Münzen zeigt den Kölner Erzbischof Hermann III., Kaiser Heinrich IV. und die Werler Grafen Konrad II. und Friedrich I. - weist auf das Ende des 11. Jahrhunderts hin, das heißt in salische Zeit. Dieser so genannte Hortfund - der Besitzer wollte die Münzen horten und verstecken - besaß immerhin einen Wert von etwa 14 Schweinen.
Detmold-Berlebeck, Falkenburg: Raqqa Ware und Wolfsangeln
Auf der Falkenburg (Kreis Lippe) sind im Jahr 2009 im Zuge der Sanierung der Ringmauer gleich zwei außergewöhnliche Funde in einem Keller aus dem 13. Jahrhundert geborgen worden. Eine kleine Scherbe der so genannten Raqqa-Ware kam zum Vorschein. Das ist ein bisher in Westfalen einmaliger und auch in Nord- und Westeuropa äußerst seltener Fund der Luxuskeramik aus dem Nahen Osten. Vermutlich gelangte ein solches Gefäß im Gepäck eines Kreuzzugteilnehmers nach Westfalen.
Außerdem fanden die LWL-Archäologen 24 Wolfsangeln in der Form eines doppelten Angelhakens. Sie gehörten zu den Jagdfallen auf den beliebten und auch für die Falkenburg belegten Treibjagden auf Wölfe.
Von Höxter nach Dortmund: der mittelalterliche Hellweg als moderner Pilgerweg
2008 und 2009 erforschte die Altertumskommission für Westfalen im Zuge des Projektes "Wege der Jakobspilger in Westfalen" eine wichtige Fernhandelsstraße: Den mittelalterlichen Hellweg zwischen Bochum und Höxter nutzten die Pilger besonders des 12. bis 16. Jahrhunderts auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela. Bei der Rekonstruktion des alten Hellwegs halfen zum einen archäologische, historische, namenkundliche und geografische Quellen, zum anderen direkte, noch sichtbare Belege wie zum Beispiel Hohlwege. Auf diese Weise wurde ein Pilger-, Kultur- und Wanderweg ausgearbeitet, der Forschung buchstäblich begehbar macht.
Selm-Cappenberg: Großabformung einer Grabplatte
Für die erfolgreiche Mittelalter-Ausstellung "Aufruhr 1225" im LWL-Museum für Archäologie in Herne fertigten Restauratoren des LWL in einem aufwendigen Verfahren eine Kopie der Grabplatte des Klostergründers Gottfried von Cappenberg an. Das Original aus dem 13. Jahrhundert besteht aus Sandstein, wiegt circa 1,2 Tonnen und ist fest in die Klosterkirche in Selm-Cappenberg (Kreis Unna) eingebaut. Deshalb musste zuerst vor Ort eine Silikonform von dem Original abgenommen werden, um dann eine Kopie aus Epoxidharz herzustellen. Der Aufwand belief sich auf etwa 400 Arbeitsstunden, 60 Kilogramm Silikon und 150 Kilogramm Gips.
Museen
An dem großen Ausstellungs- und Kooperationsprojekt "Imperium Konflikt Mythos" über 2000 Jahre Varusschlacht im Jahr 2009 hatten das LWL-Römermuseum in Haltern am See (Kreis Recklinghausen) und das Lippische Landesmuseum in Detmold (Kreis Lippe) mit den äußerst erfolgreichen Sonderausstellungen "Imperium" und "Mythos" ganz wesentlichen Anteil. Das LWL-Römermuseum mit über 165.000 Besuchern im vergangenen Jahr hat sich hierbei durch ein außergewöhnliches Marketing (Römerschiff "Victoria") und besonderes museumspädagogisches Konzept ("gerappte" Audioguides, Medienstationen, animierter Tonfilm) hervorgetan.
2009 endeten im LWL-Museum für Archäologie in Herne die Wanderausstellung "Schuhtick. Von kalten Füßen und heißen Sohlen" mit über 40.000 Besucher und im Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn die Sonderausstellung "Für Königtum und Himmelreich. 1000 Jahre Bischof Meinwerk von Paderborn".
Die Publikation "Archäologie in Westfalen-Lippe 2009" ist ab sofort in den Buchhandlungen erhältlich.
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