Neue Methode erlaubt Geschlechtsbestimmung anhand der Zähne

Archäologinnen und Archäologen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben eine neue Methode entwickelt, über Peptide im Zahnschmelz das Geschlecht bei bestatteten Kindern festzustellen. Bei einer Untersuchung auf dem frühbronzezeitlichen Gräberfeld Franzhausen I in Niederösterreich konnte dadurch das Team nun zeigen, dass bereits Kinder mehrheitlich ihrem biologischen Geschlecht gemäß beigesetzt wurden. Aber es scheint auch Spielraum für Geschlechtsidentität im Lebensverlauf gegeben zu haben.

Grab eines Mädchens
Typisch weibliches Grab (rechte Körperseite, Süd-Nord-Orientierung) eines 5-7-jährigen Mädchens aus Franzhausen I, Österreich (Verf. 143). Foto © Bundesdenkmalamt Wien/NÖ

Das Team um Katharina Rebay-Salisbury vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnte allerdings auch eine Ausnahme feststellen: Ein Mädchen wurde in einer männertypischen Körperhaltung und Ausrichtung bestattet. "Daraus lässt sich folgern, dass Frauen möglicherweise etwas mehr Spielraum hatten, um Geschlechtergrenzen zu überschreiten und ihr Geschlecht im Verlauf ihres späteren Lebens zu ändern", so Rebay-Salisbury. Das korreliert auch mit den Zahlen bei Erwachsenen: Bei 2 bis 4 Prozent der Bestatteten zeigt sich, dass sie nicht ihres biologischen Geschlechts gemäß beigesetzt wurden. Auch hier ist das überwiegend bei Frauen der Fall.

Die Untersuchung fand auf einem der größten frühbronzezeitlichen Gräberfelder in Europa statt: Franzhausen I befindet sich im Bezirk St. Pölten und stammt ca. aus der Zeit 2200 - 1600 v. Chr. Konkret wurde das Geschlecht von 70 Kindern unter 12 Jahren identifiziert und mit geschlechtsspezifischen Bestattungspraktiken verglichen, wie sie bei Erwachsenen gelten: Frauen wurden in Hockerlage auf der rechten Körperseite liegend bestattet, mit dem Kopf nach Süden, Männer auf der linken Körperseite mit dem Kopf nach Norden.

Bisher war es schwierig, das biologische Geschlecht bei bestatteten Kindern festzustellen, weil sich erst nach der Pubertät die Skelettmorphologie geschlechterspezifisch ausbildet. Es gibt zwar DNA-Analysen, aber diese sind kostenintensiv und vom Erhaltungszustand der Knochen abhängig. Das Team um Rebay-Salisbury, zu dem auch Forschende vom Institut für Analytische Chemie der Universität Wien und der Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Wien gehören, setzte eine revolutionäre neue Methode ein: die Identifizierung geschlechtsspezifischer Peptide im Zahnschmelz durch Nano-Flüssigkeitschromatographie-Tandem-Massenspektrometrie (nanoLC-MS/MS). Peptide im Zahnschmelz erhalten sich wesentlich besser als DNA in Knochen.

"Diese neue Methode hat das Potenzial, die Anthropologie und Archäologie der Kindheit zu verändern, da geschlechtsspezifische Morbidität und Mortalität, Ernährung und Behandlung von Kindern nun in großem Umfang untersucht werden können", so Rebay-Salisbury. Weitere Forschungen auf dem Gebiet der Geschlechterarchäologie sollen nun mit Hilfe der neuen peptidbasierten Methode der Geschlechtsbestimmung Erkenntnisse dazu bringen, wie Männer und Frauen in der Vergangenheit zusammenlebten und miteinander in Beziehung standen.

Grab eines Knaben
Typisch männliches Grab (linke Körperseite, Nord-Süd-Orientierung) eines 9-10-jährigen Knaben aus Franzhausen I, Österreich (Verf. 143). Foto © Bundesdenkmalamt Wien/NÖ
Publikation

Katharina Rebay-Salisbury, Patricia Bortel, Lukas Janker, Marlon Bas, Doris Pany-Kucera, Roderick B. Salisbury, Christopher Gerner, Fabian Kanz

Gendered burial practices of early Bronze Age children align with peptide-based sex identification: A case study from Franzhausen I, Austria

Journal of Archaeological Sciences. 28.1.2022
DOI: 10.1016/j.jas.2022.105549

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