Neue Kontroverse um die Himmelsscheibe von Nebra

1.000 Jahre jünger und anderer Fundort?

Die Himmelsscheibe von Nebra ist der weltweit wohl bekannteste archäologische Fund Deutschlands. Sie gilt als älteste konkrete Darstellung astronomischer Phänomene und zählt seit 2013 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Nach aktuellem Kenntnisstand wurde die Scheibe vor 3.600 Jahren auf dem Mittelberg bei Nebra zusammen mit weiteren bronzezeitlichen Objekten vergraben. Der Frankfurter Archäologieprofessor Rüdiger Krause und Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung München, stellen die Datierung nun in Frage. Ihrer Ansicht nach stammt das Objekt aus der Eisenzeit und wäre damit rund 1.000 Jahre jünger. Sie zweifeln auch den Fundort auf dem Mittelberg an, womit »alle bisherigen astronomischen Interpretationen hinfällig« würden, wie sie in einer Pressemitteilung darlegen.

Himmelsscheibe von Nebra
Die Himmelsscheibe von Nebra. Foto: Juraj Lipták © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Die Himmelsscheibe von Nebra stammt nach Ansicht von Krause und Gebhard nicht aus der frühen Bronzezeit (ca. 2.200 – 1.600 v. Chr.), sondern aus der Eisenzeit (ca. 800 – 50 v. Chr.). Sie sei damit nicht länger die älteste bekannte konkrete Himmelsdarstellung, sagen die beiden Forscher in einer Pressemeldung der Universität Frankfurt . In einem jetzt im »Early View« der Zeitschrift »Archäologische Informationen« veröffentlichten Artikel legen sie drei Argumentationsstränge vor, die nach ihrer Überzeugung stark gegen die bisherige Deutung der Himmelsscheibe sprechen.

In der Veröffentlichung kommen sie zu dem Schluss, dass die Fundstelle und die Fundumstände der Himmelsscheibe, die 2002 in einer wissenschaftlichen Nachgrabung untersucht worden war, in der Fachliteratur nicht korrekt beschrieben und dargestellt worden seien. Vor allem könne nach Überzeugung der beiden Archäologen die Himmelsscheibe nicht mit den anderen Funden zusammengehören, die überhaupt erst die Datierung des weltberühmten Objekts ermöglichten. Aufgrund ihrer Bildmotive und der Art ihrer Darstellungen ordnen sie die Himmelsscheibe der Eisenzeit zu und stellen damit die Fundamente der bisherigen Deutung der Himmelsscheibe grundlegend in Frage.

Auch Gebhard und Krause zweifeln nicht daran, dass die Himmelsscheibe ein echtes prähistorisches und einmaliges Objekt ist. Die Frage nach ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung müsse jetzt aber völlig neu, aus anderem Blickwinkel und mit geänderten Inhalten erforscht werden.

Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt widerspricht den Thesen von Gebhard und Krause und verweist auf inhaltliche Unstimmigkeiten des Artikels. In einer am selben Tag erschienenen Pressemitteilung bekräftigt das Landesamt die in mehreren Publikationen veröffentlichten Erkenntnisse. Der Hinweis von Gebhard und Krause, die Himmelsscheibe von Nebra würde im bronzezeitlichen Symbolgut als »ein vollkommener Fremdkörper« erscheinen, sei zwar richtig, heißt es in der Stellungnahme. Dies treffe aber auf jeden einzigartigen Fund zu. Die Himmelsscheibe von Nebra wäre in jeder vorgeschichtlichen Periode ein Fremdkörper. 

Publikation

Rüdiger Krause und Rupert Gebhard

Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog.Himmelsscheibe von Nebra

Archäologische Informationen 43 (early view). 2020
https://dguf.de/fileadmin/AI/ArchInf-EV_...

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