Myconius-Bibel in Gotha wiederentdeckt
"Die lateinische Handbibel des 1546 in Gotha gestorbenen Theologen Friedrich Myconius wurde soeben in der Forschungsbibliothek Gotha wiederentdeckt", das teilte die Leiterin Dr. Kathrin Paasch heute in Erfurt mit. Der kleine, mit 500 Seiten schwergewichtige Band gehört neben der von Myconius eigenhändig geschriebenen, stark autobiographisch gefärbten Reformationsgeschichte und mehreren Handschriften mit seiner Korrespondenz zu den reformationsgeschichtlichen Sammlungen, die bis in die 1730er Jahre hinein von den Gothaer Herzögen angelegt worden waren. Auch wenn bereits Cyprian 1715 auf die Handbibel hingewiesen und ein Forscher sie 1919 kurz beschrieben hatte, war sie im Laufe des 20. Jahrhunderts fast in Vergessenheit geraten. Erst im Zuge der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Online-Katalogisierung der Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts in der Forschungsbibliothek Gotha konnte sie nun für die Wissenschaft und interessierte Öffentlichkeit wiederentdeckt werden. Am 1. April 2009 um 15 Uhr wird das wertvolle Original zusammen mit anderen für die Geschichte der Reformation bedeutenden Schriften in einer Führung durch die historischen Bibliotheksräume präsentiert werden.
Der in braunes Kalbsleder gebundene Band demonstriert eindrucksvoll die theologische Entwicklung von Myconius vom Franziskanermönch zum evangelischen Theologen. Er wurde 1514 im französischen Lyon, dessen Stadtpatron der "zweite Stifter des Franziskanerordens", der Heilige Bonaventura, war, gedruckt. Das Buch ist mit zahllosen handschriftlichen Einträgen von Myconius übersät, in denen er ein eindeutiges Bekenntnis zum Luthertum ablegt. Neben Kommentaren und Zitatensammlungen zu wichtigen protestantischen Glaubenssätzen aus der Feder von Myconius enthält das Buch auch Autogramme anderer Gelehrter der Wittenberger Reformation, ursprünglich auch welche, die Myconius am Rande des Marburger Religionsgesprächs 1529 gesammelt hatte. Dorthin war er zusammen mit Martin Luther gereist. Die Holzschnitt-Porträts der beiden Theologen zieren nun die hölzernen Vorder- und Hinterdeckel des Buches. Darüber hinaus tritt uns Myconius in dem Band mit von ihm niedergeschriebenen Rezepten gegen Fieber, Zahn- und Rückenschmerzen auch als ein Mensch entgegen, der in seinen letzten Lebensjahren mit einer stark angeschlagenen Gesundheit zu kämpfen hatte.
Die Bibel war im Besitz von Myconius' Schwiegersohn Cyriacus Lindemann, der sich im Jahr seines Amtsantrittes als Rektor des Gothaer Gymnasiums 1562 mit einem handschriftlichen Eintrag verewigt hat. Über den Gothaer Theologen Ernst Salomon Cyprian, der sie von einem Freund in Coburg als Geschenk erhalten hatte, gelangte sie schließlich in die Herzogliche Bibliothek auf Schloss Friedenstein.
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