LWL-Archäologen präsentieren Fundkomplex der Burg Gronau
Beim Abriss der Tiefgarage des Hertie-Kaufhauskomplexes 2018 traten die Überreste der verloren geglaubten Wasserburg zutage. Die verfüllten Wassergräben bargen archäologische Schätze »in beachtenswerter Qualität«. Bürgermeister Rainer Doetkotte: »Das ist ein toller Zugewinn für die Stadt. Viele Funde werden zukünftig in zahlreichen Ausstellungen auf Gronau aufmerksam machen.«
»Die Ausgrabung auf dem alten Schlossplatz mit ihren phantastischen Funden hat sich als wahrer Glücksfall für Gronau und die westfälische Archäologie entpuppt«, so Prof. Dr. Michael Rind, LWL-Chefarchäologe und Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. Sie könne auch als Erfolg des NRW-Denkmalschutzgesetzes gewertet werden und zeige das gute Funktionieren der Denkmalschutzbehörden, so Rind weiter.
Von der 1365 erstmals erwähnten Burganlage, die später zum Schloss ausgebaut wurde, ist oberirdisch nichts mehr erhalten, ihre Reste wurden 1964 abgetragen und anschließend überbaut. Bis vor zwei Jahren stand auf dem nördlichen Teil der ehemaligen Hauptinsel der Wasserburg ein Kaufhauskomplex aus dem Jahr 1979. Dennoch hatten die Archäologen Hoffnung, dass sich selbst unterhalb der Tiefgarage noch Reste des Bodendenkmals finden lassen würden.
Das Wappentier als Wetterfahne
Vogelförmig ist eine aus Kupferblech gearbeitete Wetterfahne, die Einschusslöcher aufweist. Das Besondere dieses Stückes ist seine Form. Sie zeigt einen Schwan. Der Vogel ist Wappentier der Grafschaft Steinfurt, und noch heute findet sich das Tier im Wappen der Stadt Gronau wieder.
Über 100 Armbrustbolzen, Pfeilspitzen, Geschützkugeln, Dolche und eine vollständig erhaltene Hakenbüchse belegen blutige Fehden und gewaltsam ausgetragene Gebietsstreitigkeiten. »Hakenbüchsen waren furchteinflößende Waffen des 15. Jahrhunderts,« erklärt Christian Golüke, Mitarbeiter der ausführenden Fachfirma und Leiter der Ausgrabung. »Furchteinflößend aber auch für die Schützen selbst, denn nicht allzu selten explodierten sie in deren Händen«, so Golüke.
Handwerkszeuge und Alltagsgegenstände erhielten sich in den Wassergräben der Gronauer Burg und öffnen ein Fenster in die materielle Kultur eines westfälischen Adels- und Verwaltungssitzes am Ende des Mittelalters: Zimmermannsbeile, Sensenblätter, Ofenkacheln, Geschirr aus Holz, Glas und Keramik, Lederreste von Kleidung, Schuhen und Gürteln, aber auch Perlen, eine schieferne Sonnenuhr und ein auf Backstein geritztes Mühlespiel.
Vor zwei Jahren begann der Rückbau des Kaufhauskomplexes aus den 70er-Jahren unter Fachaufsicht der LWL-Archäologie für Westfalen, betreut durch das Fachreferat Mittelalter- und Neuzeitarchäologie. Anschließend übernahm eine archäologische Fachfirma im Auftrag der Stadt Gronau die vollständige Ausgrabung. Christian Golüke leitet die Ausgrabungen von Beginn an: »Ich habe schon viele Ausgrabungen geleitet, aber Funde dieser Menge und Qualität wie hier in Gronau habe ich noch nicht gesehen.«
Auch massive Fundamente des runden Bergfrieds der alten Burg sind erhalten. Auch Teile der Ringmauer, die damals die Hauptinsel der Wasserburg einfasste, konnten die Fachleute untersuchen und exakt vermessen.
»Die imposanten Balken ihres aufwändigen Stützgerüstes werden wir später, genau wie Teile einer hölzernen Brückenkonstruktion, in ein Labor für Dendrochronologie schicken«, kündigt Golüke an. Wenn genügend Jahrringe vorhanden seien, könne das genaue Jahr der Baumfällung ermittelt werden.
»Neben den meist nur auf Jahrzehnte genau datierbaren Fundstücken erlaubt uns besonders die Dendrochronologie, die Geschichte der einzelnen Bauphasen sehr genau nachzuverfolgen ", erklärt LWL-Experte Wolfram Essling-Wintzer. Alte Keramikscherben, die die Fachleute in einem alten Flussarm der Dinkel gleich neben der Gronauer Burg gefunden haben, zeugen von der Besiedlung des Ortes weit vor deren Erbauung: sie datieren in das 8. bis 4. Jahrhundert vor Christus.
Keine frühen Schriftquellen
Schrift- und Bildquellen zur Geschichte liegen nur wenige vor. Hauptsächlich überliefern sie den Ausbau zum Schloss in der Frühen Neuzeit. Die älteste Urkunde aus dem Jahr 1365 erwähnt immerhin ein »festes Haus«.
»Zu diesem dürfte bereits der beim Bau des Kaufhauses 1979 beobachtete und in das 13. Jahrhundert datierte Bergfried gehört haben. Die Funde scheinen das zu bestätigen«, so Essling-Wintzer. Nach einem ersten Ausbau um 1365 fiel die Burg mit der gesamten Herrschaft Steinfurt an das Haus Bentheim.
Ob die Burg im Rahmen der Münsterschen Stiftsfehde eine Rolle spielte, ob sie in Kampfhandlungen des spanisch-niederländischen Krieges und des nachfolgenden 30-jährigen Krieges verwickelt war - all dies überliefert kein einziges bislang bekanntes Schriftstück.
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