»KIŠIB«: Ein digitales Archiv für 80.000 mesopotamische Siegel entsteht
KIŠIB ist das sumerische Wort für »Siegel« und bezeichnete im alten Mesopotamien sowohl zum Siegeln benutzte Stempel und Zylinder aus Stein, als auch gesiegelte Gefäßverschlüsse und Keilschrift-Tafeln aus Ton. Besonders viel siegelten die Menschen, die vom 4.-1. Jt. v. Chr. im heutigen Irak und in Syrien lebten. Daraus resultiert das älteste umfangreiche Bilderkorpus, das aus der Region überliefert ist. Heute befinden sich mesopotamische Siegel und gesiegelte Objekte zu Tausenden in Museen und Sammlungen über die ganze Welt zerstreut. Ihre bild-, sozial- und kulturwissenschaftliche Bedeutung erschließt sich bisher nur einem kleinen Kreis von Fachleuten.
Das interakademische Vorhaben unter Leitung von Prof. Dr. Elisa Roßberger, Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin, und von Prof. Dr. Adelheid Otto, Institut für Vorderasiatische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, möchte dies ändern. An einer Arbeitsstelle an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) in Berlin und an einer weiteren an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW)/LMU München nimmt ein interdisziplinäres Team (Archäologie, Altorientalistik, Digital Humanities, IT) 2025 seine Arbeit auf; die vorgesehene Laufzeit ist 16 Jahre.
Ziel ist es, ein repräsentatives digitales Korpus von ca. 80.000 Siegeln aufzubauen. Die auf den Siegeln eingravierten Darstellungen und Inschriften ermöglichen detaillierte Einblicke in antike Netzwerke sozialer, politischer, wirtschaftlicher, religiöser und künstlerischer Interaktion sowie in sich wandelnde Formen von visueller Kommunikation, ideologischen Botschaften und kulturellem Wissen.
KIŠIB wird diese Netzwerke erstmals umfassend für die Forschung sowie die außeruniversitäre Öffentlichkeit zugänglich machen. Artefakt-, Bild- und Text-bezogene Daten werden dazu unter Einsatz maschinellen Lernens gesammelt, segmentiert und annotiert. Internationaler und interdisziplinärer Wissensaustausch mit kuratierenden Institutionen, anderen Projekten zur digitalen Erschließung des alten Westasiens, der NFDI4Objects sowie insbesondere mit Kolleginnen und Kollegen in westasiatischen Ländern spielen für das Vorhaben eine zentrale Rolle.
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