Kairo und Berlin - eine doppelte Würdigung
Mit zwei koordinierten Tagungen in Kairo und Berlin würdigten das Deutsche Archäologische Institut, Abteilung Kairo (DAIK) und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) den Begründer der Ägyptologie in Deutschland, Carl Richard Lepsius. Sein Geburtstag jährt sich am 23. Dezember 2010 zum 200. Mal. Carl Richard Lepsius leitete von 1842-1845 die von der damaligen Akademie der Wissenschaften durchgeführte Königlich Preußische Expedition nach Ägypten und markiert damit auch den Beginn der deutschen archäologischen Arbeit in Ägypten. Akademiepräsident Günter Stock, der beide Veranstaltungen eröffnete, verwies darauf, dass Lepsius auch »ein prominentes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, der Vorläuferorganisation der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften« war.
Die Tagung in Kairo (14.-16. Dezember 2010), die Stephan Seidlmayer, Akademiemitglied und Direktor des DAI in Kairo, organisierte, stand unter dem Titel "Culture and Politics in Egyptian European Relations in the Reign of Muhammad Ali Pasha”. Neben Günter Stock hielten der Deutsche Botschafter in Kairo Michael Bock sowie Prof. Dr. Tonio Hölscher, Vorsitzender der Zentraldirektion des DAI, die Eröffnungsreden. Die Tagung richtete den Blick auf das komplexe Verhältnis zwischen politischen Interessen und kultureller Interaktion in den Beziehungen Ägyptens zu den europäischen Nationen in vorkolonialer Zeit. Das wissenschaftliche Interesse galt drei Themenbereichen: Den politischen Rahmenbedingungen, geprägt durch die sich entwickelnde Dominanz der europäischen Nationen, den individuellen Biographien, die sich aus vielfach noch unpubliziertem Archivgut erschließen sowie der künstlerischen und archäologischen Dimension der ägyptisch-europäischen Kontakte. Historiker, Kunsthistoriker, Arabisten, Islamwissenschaftler und Ägyptologen aus Ägypten, Deutschland, Frankreich, Österreich, Polen, Ungarn und den Vereinigten Staaten entwickelten in ihren Beiträgen neue Aspekte dieses Forschungsfeldes. Zu den bislang vernachlässigten Bereichen gehören die ägyptische Perspektive und der besondere Charakter des deutschen Orientalismus.
Die Berliner Tagung (17. Dezember 2010), konzipiert von Ernst Osterkamp, Akademiemitglied und Literaturwissenschaftler, reflektierte die Orientbilder des 19. Jahrhunderts. Carl Richard Lepsius hatte dank seiner Expedition entscheidend zur Verwissenschaftlichung des Orientbildes beigetragen, die auch in den Künsten zu einer Neuvermessung des Orients führte. Im 19. Jahrhundert reisten erstmals Maler im großen Stil an die Originalschauplätze des Orients in Nordafrika, im Mittleren Osten und Asien, ihre Gemälde und Fotografien förderten einerseits den Tourismus, andererseits prägten sie ein Bild des Orients, das im Zeitalter des Kolonialismus stark von kultureller Überheblichkeit bestimmt war. Für akademische Künstler stand damals die Suche nach den Wurzeln der Zivilisation im Orient im Vordergrund. Weniger realitätsbezogen und deutlich geringer von der Verwissenschaftlichung der Wahrnehmung des Orients erfasst, sind die Zeugnisse des literarischen Orientalismus, der trotz seiner großen Blüte im 19. Jahrhundert noch wenig erforscht ist. »Wir sind bisher noch weit davon entfernt, das Phänomen des literarischen Orientalismus auch nur annähernd in seinen Imaginationsformen, in seinen darstellerischen, gattungshistorischen, thematischen und ideengeschichtlichen Variationen und Schwerpunkten kartographiert zu haben«, sagte Ernst Osterkamp als Resümee der Berliner Tagung.
Als weitere Würdigung von Karl Richard Lepsius ist für das Jahr 2011 eine öffentliche Vortragsreihe zwischen dem Akademienvorhaben »Altägyptisches Wörterbuch«, dem Ägyptischen Museum und der Papyrussammlung und der Jungen Akademie geplant.
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