Gesichtsrekonstruktion des Herrn von Morken in Bonn
Jenseits politisch-historischer Vorgänge begegnet man nun der Vergangenheit "von Angesicht zu Angesicht". Die Rekonstruktion basiert auf dem gut erhaltenen Knochenmaterial des Schädels und gibt das individuelle Aussehen des Herrn von Morken etwa kurz vor seinem Tod mit 40 Jahren wieder. Das Grab ist seit 60 Jahren ein zentrales Ausstellungsobjekt zur Frühgeschichte des Rheinlandes im LVR-LandesMuseum Bonn.
Im späten 6. Jahrhundert wurde auf dem Kirchberg in Morken bei Bedburg, etwa 400 m entfernt vom Gräberfeld der Dorfbevölkerung, ein reicher Krieger in einer großen Kammer aus Eichenholz bestattet. Ihm wurden nicht nur seine persönlichen Kleidungsbestandteile und Waffen aus kostbarsten Materialien (Silber, Gold, Edelsteine), sondern auch viele Dinge seines täglichen Lebens wie Gläser, Eimer, Waschbecken, Kamm, Textilien und Speisen als Beigaben ins Grab gelegt. Neben den politisch- historischen Erkenntnissen lassen sich jetzt aus der interdisziplinären wissenschaftlichen Bearbeitung dieser Funde auch Rückschlüsse auf die Lebensumstände, die Ernährung und die regionalen wie internationalen Kontakte eines Menschen ziehen, der vor 1400 Jahren gelebt hat. Der Vergleich mit den Funden aus den Gräbern der Dorfbevölkerung zeigt deutliche Unterschiede in der Versorgung und Lebensweise der Menschen mit unterschiedlichem gesellschaftlichem Status und Funktion auf.
Seit der Vorgeschichte beleuchten reich ausgestattete Gräber mit einer hohen Konzentration prestigeträchtiger Güter die wirtschaftliche Potenz und herausgehobene Lebensweise sozialer Eliten in ganz Europa. Dabei lassen die Beigaben- und Bestattungsweisen nur indirekte Schlüsse auf die tatsächliche Lebensweise der Bestatteten zu. Durch die Unter-suchungen von Isotopenverhältnissen an Skelettmaterial aus Elitengräbern in Deutschland von der Bronzezeit bis ins Mittelalter gelang es nun erstmals direkte Erkenntnisse zur Ernährungsweise dieser sozialen Schicht zu gewinnen. Das Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt, das LVR-Landesmuseum Bonn und das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg gaben Skelettmaterial der bedeutenden Gräber der sog. Prinzen von Helmsdorf und vom Glauberg, des Herrn von Morken wie der Königin Edith zur Untersuchung an das Institut für Anthropologie der Universität Mainz.
Diese bestätigten die auch noch heute geltende Beobachtung, dass sich soziale Eliten auch durch den Konsum von prestigekräftigen Gütern, darunter insbesondere auch Nahrungsmittel, definieren und abgrenzen. In allen hier untersuchten Fällen zeichneten sich die Bestatteten durch einen hohen Konsum von tierischem Eiweiß aus Fleisch und Fisch aus. Fleischkonsum war in Mitteleuropa vor der Industrialisierung und Erfindung industrieller Konservierung unmittelbar abhängig von reichem Grundbesitz zur Viehhaltung oder dem oft vom Adel ausgeübten Privileg der Jagd. Im Falle des Herrn von Morken war ein direkter Vergleich mit der am selben Ort lebenden, gleichzeitigen Bevölkerung möglich, die eine deutlich andere, Kohlenhydrat betonte Nahrungsaufnahme kennzeichnet.
Publikation der Ernährungsstudie
C. Knipper, P. Held, M. Fecher, N. Nicklisch, Chr. Meyer, H. Schreiber, B. Zich, C. Metzner-Nebelsick, V. Hubensack, L. Hansen, E. Nieveler, K. W. Alt
Superior in life – superior in death: Dietary distinction of Central European prehistoric and medeival elites
im Druck für Current Anthopology, Chicago
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