Fünf Jahre deutsch-kosovarisches Pilotprojekt in Ulpiana
Ähnlich wie Colonia Ulpia Traiana, das deutsche Xanten am Niederrhein, diente die am Ostrand des fruchtbaren Amselfeldes gelegene Stadtanlage als verwaltungstechnisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der ansonsten ländlich strukturierten Region. Schon vor 2.000 Jahren hatte das römische Reich einen "globalen" Wirtschaftsraum ausgebildet und bot damit die Voraussetzungen für die erstmalige Entstehung eines solchen, urbanen Zentrums nach mediterranem Vorbild. Von Ulpiana aus wurden die reichen mineralischen Bodenschätze der das Amselfeld umschließenden Gebirgskette bis in das Zentrum der antiken Welt, nach Rom, aber auch in die entferntesten Reichsteile, so nach Palästina und Dacien (Rumänien) verhandelt. Die Grundlage des Kooperationsprojektes zwischen dem Kosovo und Deutschland bildet eine bereits im Jahre 2008 mit dem Kosovarischen Ministerium für Kultur, Jugend und Sport geschlossene Vereinbarung. In Form eines Pilotprojektes sollen in Ulpiana gemeinsame Standards für die Erhaltung und Erforschung eines entsprechend ausgedehnten archäologischen Geländedenkmals erarbeitet werden.
Gerade bei der Beantwortung der drängenden denkmalpflegerischen Fragen kommt ein breites Spektrum interdisziplinärer Methoden zum Einsatz. Die von den kosovarischen und deutschen Archäologen durchgeführten geophysikalischen Prospektionen dienen der Erfassung des auf rund 60 ha zu schätzenden Denkmalbestandes. Durch die Hinzuziehung von Luft- und Satellitenbildern konnten neben den schon seit einigen Jahrzehnten freigelegten Strukturen rund um das Nordtor und die bekannte Märtyrerbasilika in den letzten Jahren bereits ohne kostenintensive Ausgrabungen eine Reihe antiker Großbauten lokalisiert und beschrieben werden. Dazu gehört eine ausgedehnte Badeanlage mit verschiedenen halbrunden Badebecken (Thermen), das städtische Verwaltungszentrum (Forum) und ein frühchristlicher Bischofssitz mit großzügig angelegter Basilika und architektonisch auffälliger Taufkapelle (Baptisterium). Das in zwei Teilbereiche, die eigentliche zivile Stadt (35 ha) und ein spätes Militärkastell (17 ha), zerfallende Siedlungsareal lässt sich aber am deutlichsten durch die beiden systematisch prospektierten Wehrmauern mit halbrunden Türmen beschreiben. Erst durch diese zielgerichteten Prospektionen wurde nunmehr das historische Gesamtensemble aus vorrömischer Siedlung, römischer Stadt und byzantinischer Festungsanlage erkennbar.
Die Ergebnisse dieser Prospektionsarbeiten werden zudem durch traditionelle archäologische Ausgrabungen überprüft. Dazu dienen die seit nunmehr fünf Jahren durchgeführten Geländeuntersuchungen während der Sommermonate. Dabei legen die beiden leitenden Archäologen, Milot Berisha M.A. vom Kosovarischen Institut für Archäologie und Privatdozent Dr. Felix Teichner vom Deutschen Archäologischen Institut, großen Wert auf die Ausbildung junger Fachkollegen, sowohl im Hinblick auf moderne Forschungsmethoden als auch bezüglich Fundbearbeitung (post-excavation management) und Arbeitsschutz. Bislang nahmen junge Archäologen aus den verschiedensten europäischen Ländern, namentlich aus Albanien, Deutschland, England, Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Polen, Serbien, Spanien und Tschechien, teil. Diese internationale Vernetzung der Forschung in Ulpiana wird zudem durch ein von Dipl.-Arch. Kemajl Luci vom Museum des Kosovo in Pristina eingerichtetes und von der OSCE gefördertes Regional-Summer-Camp ergänzt.
Neben diesen archäologischen Feldforschungen zielt die kosovarisch-deutsche Kooperation aber auf die Stärkung und den Ausbau der bestehenden Denkmalpflegestrukturen. Exemplarisch werden in Ulpiana gemeinsam Arbeitsabläufe für die Dokumentation und nachhaltige Bewahrung von archäologischen Kulturgütern erarbeitet. So ermöglichen inzwischen mehrsprachige Formblätter und Datenbanken das parallele Arbeiten der beteiligten internationalen Fachwissenschaftler an einem gemeinsamen Datenpool. Einheitliche Ordnungssysteme sichern die Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse unterschiedlicher Arbeitsgruppen.
Schließlich stellt die nachhaltige Konservierung, Musealisierung und touristische Erschließung dieses "Ruinengeländes" der römisch-byzantinischen Epoche ein mittelfristiges Ziel der beiden Kooperationspartner dar. Zentrale Arbeitsfelder sind hier die verständliche Präsentation der bislang erforschten Baudenkmale sowie die langfristige Bewahrung der noch verborgen im Boden liegenden Geschichtszeugnisse. Wichtige Perspektiven ergeben sich dabei durch den Austausch mit anderen, bereits wohl etablierten archäologischen Parks in Europa. Besondere Bedeutung für das Pilotprojekt besitzt etwa der in der bereits genannten Schwesterstadt von Ulpiana, der Colonia Ulpia Traiana am Niederrhein, eingerichtete archäologische Park. Die didaktisch anspruchsvolle Präsentation der teils rekonstruierten Grabungsbefunde und eine attraktives Museumsangebot steigern nicht nur das öffentliche Interesse an der eigenen Vergangenheit. Mit rund 600.000 Besuchern jährlich ist der dortige Archäologische Park Xanten auch zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Region geworden.
Anlässlich des fünfjährigen Jubiläums des deutsch-kosovarischen Pilotprojektes in Ulpiana vermitteln die beiden kooperierenden Forschungsinstitute in diesem Sommer in den Monaten Juli und August im Rahmen von speziellen Führungen die Ergebnisse der bisherigen Arbeit. Das Angebot wurde schon an den ersten Tagen überaus positiv aufgenommen und die beiden Verantwortlichen sind überrascht von dem breiten öffentlichen Interesse. Zu den Besuchern gehören neben Vertretern der kosovarischen Regierung, des internationalen Diplomatischen Korps, der internationalen Mission (KFOR) und der europäischen Rechtsstaatlichkeitsmission (EULEX) vor allem auch Anwohner und Grundbesitzer sowie interessierte Laien und Schulklassen aus der Region.
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