Frühbronzezeitliches Leben im Schatten des Leubinger Hügels

Eine Forschungsgruppe um das Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) Leipzig und das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) hat in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" Ergebnisse zu Sozialstruktur und Verwandtschaftsgefüge im frühbronzezeitlichen deutschen Mittelgebirgsraum um 2000 v. Chr. veröffentlicht. Die Auswertungen geben völlig neue Einblicke in die Gesellschaft dieser Zeit.

Frühbronzezeitliche Bestattung aus Leubingen (Befund 2242)
Frühbronzezeitliche Bestattung aus Leubingen (Befund 2242), die 30- bis 40jährige Frau war biologisch mit keiner der am Ort bestatteten Personen verwandt und ist vermutlich eingeheiratet und entweder nachkommenlos geblieben oder die Nachkommen sind an einem anderen Ort bestattet worden (Foto: TLDA, Weimar)

Mit Beginn der frühen Bronzezeit in Mitteleuropa (um 2200 v. Chr.) entstand eine stark hierarchische Gesellschaft mit nur wenigen Individuen in Machtpositionen. Diese Anführer oder "Fürsten" sind anhand ihrer reichen Gräber in großen Grabhügeln, wie dem "Leubinger Fürstenhügel" zu erkennen. Die soziale Organisation der Bevölkerungsmehrheit der sogenannten nördlichen Aunjetitzer Kultur blieb dagegen bislang weitgehend unklar.

Die jetzt erschienene Arbeit ändert dies. Sie verknüpft die genomweiten DNA-Daten von 46 Individuen aus einem nur wenige hundert Meter vom Leubinger Fürstenhügel entfernten frühbronzezeitlichen Gräberfeld und weiteren Gräbern in der Gemarkung Leubingen mit archäologischen, anthropologischen und Strontium-Isotopen-Daten.

Mittels dieses multidisziplinären Ansatzes gelang es unter anderem, fünf Stammbäume zu rekonstruieren, die sich über bis zu vier Generationen verfolgen lassen. Bei den Personen mit enger biologischer Verwandtschaft handelt es sich vor allem um Eltern und deren direkten Nachkommen. Daneben ließen sich Individuen identifizieren, die keinerlei genetische Beziehungen zu den an diesem Ort bestatteten biologischen Verwandtschaftsgruppen haben.

Die Wissenschaftler konnten weiterhin zeigen, dass die Verwandtschaftsbeziehungen der Bestattungsgemeinschaft überwiegend über die väterliche Linie vorliegen: Männliche Nachkommen verblieben größtenteils am Geburtsort, Frauen dagegen zogen bei der Heirat zum Mann. Erwachsene Frauen verließen den Kindheitsort und Frauen von außerhalb kamen in die Gemeinschaft. Wissenschaftlich ausgedrückt wurde in Patrilinearität und Virilokalität bei weiblicher Exogamie gelebt.

Das Gräberfeld diente vermutlich als Bestattungsplatz mehrerer bäuerlicher Hofgemeinschaften mit jeweils einer erweiterten Kernfamilie als Betreiber und wirtschaftlich zugeordneten unverwandten Personen.                                                                

Durch eine Analyse der Grabbeigaben in Kombination mit genetischen und Strontium-Isotopen-Daten konnten bei den Toten Unterschiede in der Menge der Grabbeigaben nach genetischem Geschlecht, Sterbealter und lokaler oder äußerer Herkunft festgestellt werden, nicht aber nach der Art der Grabbeigaben, wie Keramikgefäße. Bemerkenswert ist ebenfalls das frühe und regelhafte Auftreten von einfachem Metallschmuck in Frauengräbern.

Publikation

S. Penske, M. Küßner, A. B. Rohrlach, C. Knipper, J. Novačék, A. Childebayeva, J. Krause, W. Haak

Kinship practices at the early bronze age site of Leubingen in Central Germany

Scientific Reports. 16.2.2024
DOI: 10.1038/s41598-024-54462-6

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