Friedhof der »Ur-Segeletzer« teilweise ausgegraben
Die Bestatteten sind mit zwei Ausnahmen nach christlichem Brauch in Rückenlage und Ost-West-Richtung niedergelegt worden. Bei etwa der Hälfte der Toten handelt es sich um Kinder. Die meisten der Bestatteten lagen in Särgen, es gibt aber auch zwei Leiter- und eine Leichentuch-Bestattung. Leiterbestattungen waren im Mittelalter üblich, man legte die Toten auf einer leiterartigen Holzkonstruktion ins Grab. Die sarglosen Bestattungen im Leichentuch erkennt man an den eng an den Körper gelegten Armen und den eng zusammenliegenden Beinen. Die menschlichen Überreste lassen zahlreiche Aussagen über den Gesundheitszustand der Menschen zu. Ein großer Teil der Toten zeigt Spuren schwerer körperlicher Arbeit sowie Zeichen für Mangelernährung. Die Zahngesundheit war durchweg sehr schlecht. Bei zwei Individuen hatte sich sogar Zahnstein auf den Kauflächen gebildet, was nur geschieht, wenn mit den Zähnen nicht mehr gekaut wird. Beide, eine junge Frau und ein junger Mann, waren über einen längeren Zeitraum schwer krank und sind - vermutlich von ihren Angehörigen - gepflegt worden. Vielleicht konnten sie nur noch flüssige Nahrung zu sich nehmen.
Etwas abseits des Friedhofs lagen zwei weitere Gräber. Ein etwa 50 bis 60 Jahre alter Mann hat eine Schwerthiebverletzung am Schädel zumindest eine Zeit lang überlebt. Er wurde wohl im Mittelalter bestattet und wies keine Spuren harter körperlicher Arbeit auf - vielleicht ein adliger Krieger. In seiner Nähe war ein Mädchen, wohl schon in der Slawenzeit, eher »entsorgt« als bestattet worden. Warum beide abseits des Friedhofs begraben wurden, bleibt bislang unklar. Die geborgenen Skelette werden in Zukunft im brandenburgischen Landesfundmagazin in Wünsdorf aufbewahrt und weiter untersucht. Skelettserien über einen derart langen Zeitraum eröffnen vielfältige Untersuchungsmöglichkeiten, die die Bevölkerungsentwicklung von Segeletz beleuchten, im Vergleich mit den Ergebnissen anderer Friedhofsgrabungen aber auch zur Landesgeschichte von Brandenburg wichtige Beiträge leisten.
Die Befundfülle, zu der auch umfangreiche ältere Relikte aus der Vorgeschichte und der Slawenzeit zählen, hat die Ausgrabungsarbeiten unerwartet verlängert und damit auch die Kosten erhöht. Modernste Technik, wie der Einsatz von Drohnen zur Vermessung und Fotografie, ist heute auf Ausgrabungen üblich, um die Arbeiten zu beschleunigen und so Zeit einzusparen.
»Eine Alternative zur Bergung der Gräber und zur Dokumentation aller anderen von Zerstörung bedrohten archäologischen Relikte gibt es vor dem Hintergrund des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes nicht«, erklärt Jens May, der zuständige Gebietsreferent des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege. Und auch die Pietät verbietet es, die Gräber für den Straßenbau einfach wegzubaggern. Der Landesbetrieb Straßenwesen hat mit der Anhebung des Planums für den Bau der zweiten Straßenhälfte auf die aktuelle Situation reagiert, so dass nun viele Bestattungen unter der Straße verbleiben können – damit sinken auch die Kosten. Das BLDAM und das Archäologiebüro Weishaupt, Hahn und Partner, das mit großem Einsatz an den Befunden arbeitet, passten das Grabungskonzept daraufhin entsprechend an. So kann die Dokumentation und Bergung zahlreicher Gräber eingespart werden. »Viele Bestattungen können also unter der Straße im Boden verbleiben und stellen weiterhin einen wichtigen Bestandteil des Bodendenkmals ‚Dorfkern Segeletz‘ und einen Teil der Identität und des kulturellen Gedächtnisses des Dorfes dar«, so May.
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