Europäer sind als Erste auf den Hund gekommen

Internationales Forscherteam bestimmt mit genetischen Analysen Zeitpunkt und Region der Domestizierung

Bisher war umstritten, wann und wo der Wolf zum Haustier Hund wurde: Die Domestikation schien vor 15.000 Jahren in Ostasien begonnen zu haben, doch die ältesten Überreste von hundeartigen Tieren stammten aus Europa und Sibirien bereits aus der Zeit vor etwa 30.000 Jahren. Eine internationale Forschergruppe um Olaf Thalmann von der Turku Universität in Finnland hat nun genetische Daten zahlreicher prähistorischer Hunde und Wölfe mit denen von modernen Tieren verglichen und herausgefunden, dass alle heute lebenden Hunde von europäischen Vorfahren abstammen. Die Domestikation nahm ihren Anfang im Zeitraum vor 18.800 bis 32.100 Jahren zum Höhepunkt der letzten großen Eiszeit, als europäische Jäger und Sammler die ersten Wölfe zähmten.

Tierskelett im Doppelgrab von Bonn-Oberkassel
Erbgutanalysen ergaben, dass es sich bei dem Tierskelett im Doppelgrab von Bonn-Oberkassel um einen direkten Vorfahren heutiger Hunde handelte. © Foto: Jürgen Vogel/LVR-LandesMuseum Bonn

Der Hund gilt als der beste Freund des Menschen, der ihm seit Jahrtausenden zum Beispiel auf der Jagd sowie als Hütehund treue Dienste erwiesen und sich auch als Wächter bewährt hat. Die bisherige Kontroverse hinsichtlich Unstimmigkeiten zwischen genetischen und paläontologischen Analysen, in denen genetische Untersuchungen von einer Domestizierung des Hundes vor rund 15.000 Jahren in Ostasien ausgehen, aber die ersten hundeartigen Fossilien aus Europa und Sibirien über 30.000 Jahre alt sind, konnte nun durch die neuen Ergebnisse eines internationalen Forscherteams beigelegt werden. Anhand der molekularen Daten konnten die Forscher errechnen, dass die Domestizierung bereits vor 18.000 bis 32.000 Jahren in Europa begann. »Das passt sehr gut zu den Funden prähistorischer Hunde«, sagt Liane Giemsch vom Institut für Archäologie und Kulturanthropologie der Universität Bonn. Im Nahen Osten und Ostasien hätten zwar viele Haustiere ihren Ursprung, etwa Rinder, Schafe und Ziegen. Doch wiesen die aktuellen genetischen Daten deutlich auf Europa als Ursprung der Domestizierung des Hundes.

Proben von 18 prähistorischen hundeartigen Tieren wurden untersucht

Hunde sind eines der bekanntesten Beispiele für Haustiere, deren große Vielfalt an Erscheinungsformen mit eigenen Rassen und deren geografisches Verbreitungsgebiet maßgeblich durch Menschen bestimmt wurden. Genetisch unterscheiden sich Hund und Wolf bis heute nicht prinzipiell. Ihre Schädel weisen in der Form einige Unterschiede auf, vor allem ist die Schnauze beim Hund kürzer als beim Wolf. In der neuen Studie haben die Wissenschaftler aus Finnland, Belgien, Russland, Spanien, Argentinien, USA und Deutschland erstmals in einer umfassenden genetischen Analyse 18 prähistorische Hundeartige und Wölfe mit 77 modernen Hunden und 49 Wölfen verglichen, darunter so verschiedene Tiere wie den Basenji aus Zentralafrika, den australischen Wildhund Dingo, die in Nordamerika verbreiteten Kojoten als wilde Hundeart sowie mehrere chinesische Hunderassen. Bei den prähistorischen Hunden erwiesen sich vor allem Hundeknochen aus dem 14.700 Jahre alten Doppelgrab eines Mannes und einer Frau in Oberkassel bei Bonn als bedeutsam sowie ein etwa 12.500 Jahre alter Hundefund aus der Karsteinhöhle bei Mechernich in der Eifel.

»Die Erbgutanalysen ergaben, dass es sich bei den Tierskeletten im Doppelgrab von Oberkassel und von der Kartsteinhöhle um die direkten Vorfahren heutiger Hunde handelte«, berichtet Olaf Thalmann von der Universität Turku, der das Projekt wissenschaftlich koordiniert. Die genetischen Analysen der Bonner Funde wurden unter anderem von Johannes Krause und Verena Schünemann vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Tübingen durchgeführt. »Nur mit Hilfe der prähistorischen Wölfe- und Hunde-DNA war es möglich, deren Aufspaltung auf Europa einzugrenzen«, sagt Krause.

Das klare Ergebnis der Analysen überraschte auch die Forscher. »Ich war verblüfft, wie deutlich herauskam, dass die heute lebenden Hunde alle auf gemeinsame Stammbäume zurückgehen, nämlich vier Abstammungslinien, die alle in Europa ihren Anfang nahmen«, berichtet Olaf Thalmann. Ein Großteil der Proben von Hunden aus aller Welt ließ sich einer Abstammungslinie zuordnen, die enge Verwandtschaft zu einem prähistorischen Wolf aus dem Kesslerloch zeigt, einer Höhle im Schweizer Kanton Schaffhausen.

Inniges Verhältnis von Mensch und Tier

»Die gemeinsame Bestattung des Hundes und der Menschen im Doppelgrab von Oberkassel zeugt von einer sehr innigen Beziehung«, sagt Giemsch. Die nun erfolgte Datierung der Domestizierung zeige, dass der eiszeitliche Mensch schon seit Jahrtausenden den Hund als Begleiter nutzte, noch weit bevor andere Tiere wie Kuh, Schwein und Pferd domestiziert wurden. Auch von Israel und Skandinavien sei bekannt, dass es bei steinzeitlichen Jägern und Sammlern zu gemeinsamen Bestattungen von Hunden und Menschen gekommen sei. »Dies zeigt, wie wichtig und wertvoll diese Haustiere für die damalige Bevölkerung waren«, sagt Giemsch.

Die neuen Forschungsergebnisse wurden heute in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Publikation

Thalmann et al. 2013: Complete mitochondrial genomes of ancient canids suggest a European origin of domestic dogs, Science, DOI: 10.1126.1243650



Hunde-Unterkiefer von Bonn-Oberkassel
Unterkiefer des Hundes, der im Doppelgrab von Bonn-Oberkassel gefunden wurde: Forscher konnten nun anhand von genetischen Analysen zeigen, dass die Domestizierung des Hundes vor 18.000 bis 32.000 Jahren in Europa stattgefunden hat. © Foto: Jürgen Vogel/LVR-LandesMuseum Bonn
Doppelgrab von Bonn-Oberkassel
Doppelgrab von Bonn-Oberkassel: Die menschlichen Skelette wurden 1914 zusammen mit den Resten eines Hundes bei Steinbrucharbeiten an der Rabenlay gefunden. © Foto: Jürgen Vogel/LVR-LandesMuseum Bonn
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