Erster Bischofspalast auf dem Merseburger Domhügel entdeckt

Im Zusammenhang mit der Sanierung der Martinikurie an der Südspitze des Merseburger Domhügels führte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt archäologische und bauhistorische Untersuchungen in dem bedeutenden Denkmal durch. Diese erbrachten wichtige neue Erkenntnisse zur Bebauungsgeschichte des landeshistorisch höchst bedeutenden Ortes. Herausragend ist die Entdeckung der gut erhaltenen Reste eines großen und repräsentativen Vorgängerbaus, bei dem es sich um den ersten Bischofspalast auf dem Domhügel handelt.

Mauerwerk des 11. Jahrhunderts auf dem Merseburger Domhügel
Merseburg, ehemalige Martinikurie, Blick auf die südliche Innenwand im Erdgeschoss des Vorgängerbaues. Unter dem später eingefügten Tonnengewölbe ist das Mauerwerk des 11. Jahrhunderts noch in voller Geschosshöhe erhalten. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Dirk Höhne.

Der Palast wurde etwa zur Zeit der zweiten Weihe des Merseburger Doms 1042 durch Bischof Hunold (1036 bis 1050) errichtet. »Sachsen-Anhalt ist als geschichtsträchtiges Land immer wieder für Überraschungen gut. Das gilt auch für diesen Fund auf dem Merseburger Domhügel. Es ist wichtig, diese Zeugnisse der Geschichte zu erforschen und zu bewahren. Sie helfen uns, unsere Landesgeschichte besser zu verstehen. Dankbar bin ich daher dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie mit Prof. Meller an der Spitze für seine engagierte Arbeit. Dankbar bin ich aber auch dem Investor Dr. Gottschalk, der die Grabungen so intensiv unterstützt hat. Wir sind so wieder um ein Stück Wissen zur Geschichte Merseburgs und unseres Landes reicher«, betonte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff bei seinem Besuch der Grabungsstelle.

Überraschende Entdeckung: Ein Bischofspalast des 11. Jahrhunderts

Die interdisziplinären Untersuchungen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt konnten nachweisen, dass sich im Inneren des heute weitgehend einheitlich barocken Bauwerks der Martinikurie die Reste eines viel älteren Vorgängerbaues verbergen. Es handelt sich um das überraschend gut und fast vollständig erhaltene, kellerartige Untergeschoss eines Saalbaus, dessen 1,75 Meter starke Grundmauern noch in bis zu 3,40 Metern Höhe erhalten sind. Absätze im Mauerwerk und ein bauzeitlicher Pfeiler im Gebäudeinneren belegen, dass sich hierauf einst mindestens ein saalartiges Obergeschoss erhob. Hier lässt sich eine herrschaftliche, Repräsentationszwecken dienende Halle rekonstruieren. Auch in seiner gesamten Bauweise ist das etwa 20 mal 10 Meter messende Gebäude, das sich am topographisch prominentesten Ort der Anlage erhebt, auf Repräsentation ausgerichtet.

Naturwissenschaftlich gesichert ist die Datierung des neu entdeckten Bauwerks in die Zeit Bischof Hunolds, der zwischen 1036 und 1050 dem Bistum Merseburg vorstand. Damit lässt sich der repräsentative, für seine Zeit außergewöhnliche Bau mit dem durch Hunold errichteten ersten Bischofspalast des Bistums identifizieren, der etwa zeitgleich mit der zweiten Weihe des Merseburger Doms 1042 entstand. Mit diesem Befund lässt sich eines der wichtigsten Gebäude des Bischofssitzes in Merseburg lokalisieren – ein Gebäude, das mit seinem Standort und seiner Größe das Selbstbewusstsein des 1004 erneut gegründeten Bistums deutlich zum Ausdruck bringt.

Der Merseburger Domhügel: Ein jahrtausendealter befestigter Siedlungsplatz

Merseburg ist seit Jahrtausenden ein bedeutender Siedlungsplatz. Im Mittelalter war der Ort bereits in karolingischer Zeit wichtig und wurde im Hersfelder Zehntverzeichnis des 9. Jahrhunderts erwähnt. Im 10. Jahrhundert errichtete Heinrich I. in Merseburg zunächst seinen Königshof, den er zur Pfalz ausbaute. Diese wiederum wurde zuerst unter Otto I. (geboren 912, verstorben 973) und erneut unter Heinrich II. (geboren 973/978, verstorben 1024) Sitz des Bistums Merseburg. Schauplatz dieser Ereignisse ist der Domhügel in Merseburg zwischen Peterskloster im Norden und Martinikurie im Süden.

An verschiedenen Stellen dieses Areals konnte durch archäologische Ausgrabungen insbesondere der vergangenen 30 Jahre eine Wallanlage untersucht werden, die in der späten Bronzezeit beziehungsweise frühen Eisenzeit vor etwa 3.000 Jahren den gesamten Domhügel umgab. Die Wälle waren auch im frühen Mittelalter noch vorhanden und dienten als Grundlage für die karolingischen und ottonischen Befestigungen. Offensichtlich beeindruckten sie mit ihrer Größe die Zeitgenossen. So berichtet Thietmar, der Merseburger Bischof und Chronist der Ottonenzeit, dass Heinrich I. das »römische Werk« in Merseburg mit einer Mauer verziert habe. Die Grabungsergebnisse an verschiedenen Stellen des Domhügels lassen inzwischen kaum noch Zweifel daran, dass es sich bei dem »römischen Werk« um die prähistorische Wallanlage handelt, die im Mittelalter nach eigenen Vorstellungen benutzt und gestaltet wurde.

Die neuen Forschungen in der Martinikurie im äußersten Süden des Domhügels zeigen nun, dass auch diese sowie ihr mittelalterlicher Vorgängerbau direkt auf der jahrtausendealten Wallanlage errichtet wurden. Der Wall konnte im Inneren des Denkmals bis in eine Tiefe von etwa 4 Metern unter dem mittelalterlichen Fußbodenniveau dokumentiert werden.

Fazit

Seit über einhundert Jahren forschen Historiker und Archäologen zu Königspfalz und Bischofssitz in Merseburg. Die Detailbeobachtungen der vergangenen 30 Jahre und die aktuellen archäologischen und bauforscherischen Entdeckungen beim Umbau der Martinikurie ermöglichen nun erstmals Aussagen zur Befestigung der ottonischen Pfalz und dem ersten Bischofspalast in Merseburg. In der Summe kann es als gesichert gelten, dass die Befestigung der Ottonenzeit einen im Mittelalter offenbar noch immer beeindruckenden prähistorischen Wall weiternutzte und umgestaltete, der bereits seit etwa 2.000 Jahren den gesamten Domhügel umgab.

»Von besonderer Bedeutung ist der überraschend im Inneren der Martinikurie angetroffene, repräsentative Saalbau, der sich mit dem ersten Bischofspalast des Bistums Merseburg identifizieren lässt«, erläutert Landesarchäologe Prof. Dr. Harald Meller, »Es handelt sich bei dem in Sachsen-Anhalt einzigartigen Befund um eines der ältesten mit aufgehendem Mauerwerk erhaltenen Profangebäude im Land«.

Dass diese landeshistorisch höchst bedeutende Entdeckung möglich war, ist nicht nur dem Erfahrungsschatz der aktiven Archäologie und Denkmalpflege, sondern auch der guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Fachbehörden und einem außergewöhnlich engagierten und verständnisvollen Bauherrn zu verdanken.

Das Bauvorhaben zu Sanierung und Umbau der Martinikurie, das den Anlass zu den interdisziplinären Untersuchungen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt gab, liegt im Fördergebiet »Merseburg-Altstadtbereich« des Programmes »Städtebaulicher Denkmalschutz« und wird mit Mitteln der Bundesrepublik Deutschland, des Landes Sachsen-Anhalt und der Stadt Merseburg gefördert.

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