Eine außergewöhnliche Bestattung der Frühbronzezeit in Friedrichsschwerz
Die runde, steinumstellte Grabgrube barg zudem eine bronzene Armspirale in Erwachsenengröße. Innerhalb der stark hierarchisch gestaffelten Aunjetitzer Gesellschaft, in der nur den wenigsten Menschen überhaupt Grabbeigaben aus Bronze zustanden, ist dies als deutlicher Hinweis auf die gehobene gesellschaftliche Position des Kindes zu sehen. Eine Position, die das Kind aufgrund seines zarten Alters nicht selbst errungen haben kann, sondern in die es hinein geboren und entsprechend derer es nach seinem frühen Tod bestattet wurde.
Im Vorfeld des Ausbaus der Autobahn A 143 finden bei Friedrichsschwerz (Stadt Wettin-Löbejün, Saalekreis) derzeit auf einer Fläche von etwa 56 Hektar großflächige archäologische Untersuchungen statt. An der fortdauernden Ausgrabung der bislang rund 20 Fundstellen unterschiedlichster Zeitepochen sind derzeit über 80 Personen beteiligt.
Eine ganz besondere Überraschung kam im nordöstlichen Abschnitt der Grabungsflächen zu Tage. Inmitten eines Bereichs mit mehreren Grubenbefunden stießen die Ausgräber auf eine weitere, etwa kreisrunde Grube von einem Durchmesser von etwas mehr als 60 Zentimetern, deren Wände mit Bruchsteinen eingefasst waren. Im Zentrum dieser Grube fanden sich die sterblichen Überreste eines Säuglings. Wohl als Grabbeigabe fand sich etwas weiter randlich eine außerordentlich schwere Armspirale in Erwachsenengröße. Dieser auch nach Jahrtausenden noch vollständige Armschmuck kann dem klassischen bis späten Abschnitt der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur zugeordnet werden und datiert damit in die Zeit von etwa 2000 bis 1550 vor Christus. In nur geringer Entfernung von der Grabgrube wurden zudem Fragmente einer zweiten, typgleichen Armspirale entdeckt. Diese ist wahrscheinlich durch landwirtschaftliche Eingriffe beschädigt und aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen worden, so dass das Kind ursprünglich wohl ein zusammenpassendes Paar Armspiralen mit ins Grab gelegt bekommen hatte.
Vorgeschichtliche Bestattungen solch junger Kinder gehören zu den eher seltenen archäologischen Entdeckungen. Das mag angesichts der anzunehmenden Säuglings- und Kindersterblichkeit in vormodernen Gesellschaften zwar zunächst überraschen, doch hängt dies zum einen mit den schlechten Erhaltungsbedingungen für die zarten Skelette und zum anderen damit zusammen, dass für Kleinstkinder offensichtlich abweichende Grabsitten befolgt wurden und sie sich deshalb nur in Ausnahmefällen im Bereich von regulären Grabgruppen oder Gräberfeldern finden. Damit handelt es sich bei der hier entdeckten frühbronzezeitlichen Bestattung um einen echten Glücksfall für die Forschung.
Außergewöhnlich ist auch die Beigabe der beiden bronzenen Armspiralen. Aufgrund der Größe und Schwere ist auszuschließen, dass es sich bei ihnen um Schmuckstücke handelt, die das Kind zu Lebzeiten getragen haben könnte. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass hier eine trauernde Mutter ihrem Kind einfach einen ganz besonderen Schatz mit ins Jenseits geben wollte, doch verraten die Armspiralen darüber hinaus wahrscheinlich auch einiges über die Gesellschaftsstruktur der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur. In der streng hierarchisch aufgebauten Gesellschaft der Aunjetitzer Kultur standen nur wenigen Personen überhaupt bronzene Grabbeigaben als Ausdruck ihres sozialen Standes zu. Die zwei Armspiralen deuten somit bereits auf eine gehobene gesellschaftliche Stellung dieses Kindes. Eine Position, die das Kind aufgrund seines zarten Alters aber unmöglich durch eigenes Handeln errungen haben kann, sondern in die es hinein geboren worden war. Das Grab ist somit ein Hinweis auf erblichen Strukturen in der Aunjetitzer Kultur. Offenbar wurde bereits zu dieser Zeit eine gesellschaftliche Position auch an die Nachkommen vererbt. Starb ein Kind einer bestimmten Gesellschaftsschicht, so wurde es anscheinend mit den, seinem Rang entsprechenden, Beigaben zur letzten Ruhe gebettet.
Nur wenige Meter von dieser außergewöhnlichen Bestattung entfernt fanden sich zudem die Reste zweier in den Boden eingetiefter, frühbronzezeitlicher Keramikgefäße. Bei diesen könnte es sich um, durch landwirtschaftliche Eingriffe stark gestörte, Überreste von sogenannten Pithosgräbern handeln. Bei dieser Bestattungsform wurde der Leichnam in einem Vorratsgefäß beigesetzt. In der Aunjetitzer Kultur sind Pithosgräber gerade für Kinder bereits mehrfach belegt. Es ist also nicht auszuschließen, dass hier nicht nur ein einzelnes Grab, sondern sogar eine kleine Grabgruppe erfasst wurde.
Ob diese Gräber, wie derzeit nur zu vermuten, im Randbereich einer zeitgleichen Siedlungsstelle lagen, werden die fortlaufenden Ausgrabungen zeigen.
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