Eindrucksvolle Vorstadt vor den Toren des Legionslagers auf dem Fürstenberg bei Xanten

Auf dem Fürstenberg bei Xanten untersucht das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland (LVR-ABR) seit einigen Jahren mit modernen Prospektionsmethoden die Bebauung im Vorfeld des römischen Legionslagers Vetera castra. Dabei hat sich gezeigt, dass die sogenannte canabae, die Lagervorstadt, deutlich größer und besser ausgebaut war als bislang angenommen. Zur Überprüfung der Ergebnisse und der Erhaltung der antiken Substanz haben die Archäologinnen und Archäologen der Außenstelle Xanten des LVR-ABR nun dort eine Ausgrabung mit minimalen Bodeneingriffen durchgeführt.

Limes-Koordinator und Grabungsleiterin
Limes-Koordinator des LVR-ABR Steve Bödecker und Grabungsleiterin Julia Rücker von der Außenstelle Xanten des LVR-ABR zeigen die Ergebnisse der Untersuchungen mit dem Bodenradar: Im Vorfeld des Legionslagers lassen sich viele Gebäudestrukturen erkennen. Foto: Marcel Zanjani/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Die Grabungsergebnisse bestätigten, was die Geophysikmessungen im freigelegten Bereich der südlichen Lagervorstadt vermuten ließen: zwei auffallend große Gebäude von jeweils mind. 60 x 20 m Größe. Die Ausgrabung lieferte aber auch weitere Informationen: Während ein Bau offenbar aus Fachwerk mit einem Ziegeldach bestand und bei einem katastrophalen Brand zusammenstürzte, bestand das zweite Gebäude aus Stein und wurde wohl noch in römischer Zeit als Steinbruch für neuere Bauten genutzt. Dennoch verraten die erhaltenen Fundamentreste, dass es sich einst um eines der größten Badegebäude im 1. Jahrhundert n. Chr. am Rhein handelte. Vorsichtige Hinweise auf Thermen hatten auch ältere Oberflächenfunde von den Resten römischer Glasfenster gegeben, die unter Kaiser Nero (54 – 69 n. Chr.) in den luxuriösen Badeanlagen in Rom in Mode kamen. Da Lager und Zivilsiedlung auf dem Fürstenberg bereits 70 n. Chr. zerstört wurden, zeigt sich, wie schnell die neueste Technik in der Hauptstadt auch an Roms nördlicher Rheingrenze umgesetzt wurde.

Die Ausgrabung erbrachte jedoch auch, dass die Befunde im südlichen Bereich, also stärker hangabwärts, direkt unter dem Pflughorizont liegen und in ihrer Erhaltung stark gefährdet sind. "Die Untersuchungen vermitteln uns nicht nur neue Erkenntnisse, sondern helfen uns, das UNESCO-Welterbe nachhaltig zu schützen", führt Landesarchäologe und Leiter des LVR-ABR Dr. Erich Claßen aus. "Zugleich können wir unsere Methoden und deren Aussagekraft überprüfen, was uns hier in unserer Vorgehensweise zur möglichst minimalinvasiven Erfassung von Bodendenkmälern im Rheinland bestärkt."

Dass es sich bei der zivilen Siedlung sogar um die vom römischen Geschichtsschreiber Tacitus (um 58 – um 120 n. Chr.) beschriebene Landstadt, die nicht weit vom Legionslager entfernt entstanden sei, handeln könne, hatte bei den ersten Messungen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Archäologischen Institut niemand erwartet. Doch das Bild, das die Messverfahren, Luftbilder, Oberflächenfunde und die Ausgrabung liefern, fügt sich zusammen. "Bislang war sich die Forschung nicht einig, ob Tacitus die Vorgängerstadt der Colonia Ulpia Traiana beschrieben habe oder die Siedlung auf dem Fürstenberg zu suchen sei.", erklärt Steve Bödecker, Wissenschaftlicher Referent und Limes-Koordinator des LVR-ABR, "Aber möglicherweise beschrieb Tacitus eigentlich die canabae, also die zivile Lagervorstadt im direkten Umfeld des Legionslagers. Die planmäßige Anlage mit Straßensystem und die weitläufigen Gebäude machen dies wahrscheinlich." Laut Tacitus hatten die Römer selbst - im Zusammenhang mit dem Bataveraufstand 68/70 n. Chr. - die besagte Landstadt absichtlich zerstört, damit der Feind sie nicht nutzen könne. Daher könnten die Spuren der Brandkatastrophe rühren, die bei der Ausgrabung festgestellt wurden.

Dank der Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut konnte der gesamte Fürstenberg mit einem Magnetometersystem untersucht werden. Damit lassen sich die Magnetfelder von z.B. Mauern im Boden messen. Dabei zeigten sich dann die auffälligen Strukturen südöstlich der Legionslager. Dort kam dann weiterführend ein Bodenradarsystem der Prospektionsabteilung des LVR-ABR zum Einsatz, das schichtweise den elektrischen Widerstand im Erdboden misst und Aussagen zur Befundtiefe in Kombination mit ihrer flächigen Ausdehnung ermöglicht, wodurch u.a. die Fundamente von Mauern noch besser zu erkennen sind.

Das Legionslager Vetera castra auf dem Fürstenberg bei Xanten war eines der größten Legionslager im Römischen Reich. Zeitweise beherbergte es zwei Legionen, also bis zu 10.000 Soldaten. Seit 2021 gehört es als Teil des Niedergermanischen Limes zum UNESCO-Welterbe. Die länderübergreifende Welterbestätte "Grenzen des Römischen Reiches – Niedergermanischer Limes" umfasst entlang des Rheins in den Niederlanden und in Deutschland insgesamt 44 Fundplätze von Katwijk an der Nordsee (Niederlande) bis Remagen in Rheinland-Pfalz, darunter 24 in Nordrhein-Westfalen.

Spuren eines abgebrannten Gebäudes im Grabungsprofil
Im Profil des zweiten Grabungsschnitts lassen sich gut die Spuren eines abgebrannten Gebäudes erkennen: unten eine schwarze Ascheschicht, darüber rötlicher Dachziegelschutt. Foto: Marcel Zanjani/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
Vermessung der aufgedeckten Strukturen
In dem länglichen Grabungsschnitt kamen genau die Strukturen zu Tage, die dort aufgrund der Ergebnisse der Geophysikmessungen auch erwartet wurden. Foto: Marcel Zanjani/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
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