Ein neolithischer Holzbrunnen und Indizien für eine villa rustica in Heppenheim

Präsentation der Grabungsergebnisse »Gewerbegebiet Süd – Lise-Meitner-Straße« in Heppenheim

Bei Ausgrabungen in dem künftigen Gewerbegebiet konnte erstmals in Hessen ein Brunnen aus der Zeit der Linearbandkeramik (um 5.000 v.Chr.) dokumentiert werden, bei dem sich noch Teile des hölzernen Brunnenverbaus erhalten haben. Dieser stellte die Wasserversorgung der aus mehr als 20 Häusern bestehenden jungsteinzeitlichen Siedlung sicher, die im Zuge der Grabungsmaßnahme vollständig untersucht werden konnte. Weitere Befunde deuten auf eine römerzeitliche Nutzung des Gebietes hin.

 

Linearbandkeramischer Holzbrunnen
Hölzener Kastenbrunnen aus Heppenheim (Lkr. Bergstraße). Foto © D. Sarnowski, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, hessenARCHÄOLOGIE

In enger Abstimmung mit der Stadt Heppenheim führte das Landesamt für Denkmalpflege Hessen (LfDH), hessenARCHÄOLOGIE, im Rahmen der Erschließung des »Gewerbegebietes Süd – Lise-Meitner-Straße« auf einer Gesamtfläche von 3,7 Hektar von Mitte April bis Mitte Oktober 2018 archäologische Untersuchungen durch. Koordiniert und durchgeführt wurden diese Arbeiten durch die Außenstelle Darmstadt. Im Zuge der Untersuchung wurde die Fläche nach und nach mit dem Bagger vom Oberboden befreit. Die als Verfärbungen im Boden auftretenden Strukturen wurden von einem sechsköpfigen Grabungsteam eingemessen und dokumentiert. Im Rahmen eines Pressetermins stellten die stellvertretende Landesarchäologin Dr. Sabine Schade-Lindig, der zuständige Bezirksarchäologe Thomas Becker M.A. und Grabungsleiter David Sarnowski M.A. die Funde Heppenheims Bürgermeister Rainer Burelbach vor, der sich von der Vielzahl der gefundenen Gebäudereste und den zum Teil gut erhaltenen Keramiken und Werkzeugen beeindruckt zeigte.

Innerhalb der veranschlagten sechs Monate konnte eine neolithische Siedlung (etwa um 5.000 v. Chr.), die zeitlich der Kulturstufe der sogenannten Linearbandkeramik zuzuordnen ist, vollständig untersucht werden. Erfasst wurden über 20 Häuser, die regelhaft eine Länge von bis zu 25 Metern und eine Breite von ca. 7 Metern aufwiesen. Dieser in Holzbauweise ausgeführte Häusertyp besaß lehmverputzte Wände und ist für die Zeit typisch. Die Größe der Häuser erklärt sich durch den Umstand, dass sie sowohl der Unterbringung der jeweiligen Familie als auch der Vorratslagerung dienten. In einigen Fällen sind durch Grundrissüberschneidungen auch zeitliche Abfolgen in der Bebauung fassbar. 

Aus Abfallgruben der Siedlung konnten vor allem Keramik und Steinwerkzeuge geborgen werden. Einen Einblick in die Essgewohnheiten der steinzeitlichen Siedler erlauben die Tierknochenfunde. So sind nach einer ersten Auswertung Knochen von Rindern, Schafen und Ziegen nachgewiesen. Auch Pferdeknochen fanden sich – ob diese allerdings auf dem Speiseplan standen, kann mit den vorliegenden Funden nicht beantwortet werden. Hingegen belegen die Funde von Rothirschknochen aus den Siedlungsgruben, dass Rotwild durchaus schon Bestandteil der Ernährung war. 

Eine Besonderheit ist die Entdeckung eines Kindergrabes innerhalb des Siedlungsareals, denn normalerweise fanden Bestattungen zu dieser Zeit außerhalb der Siedlung statt. Der Grund hierfür wird sich möglicherweise aus der weiteren Analyse des Grabes ergeben. 

Einen für Hessen einmaligen Fund stellt die Entdeckung eines Brunnens dar, bei dem sich noch Teile des hölzernen Brunnenverbaus erhalten haben. Dabei war noch deutlich der rechteckig gesetzte Brunnenkasten erhalten, der aus miteinander verzapften und bearbeiteten Hölzern bestand. Zu verdanken ist dieser als gut zu bezeichnende Erhaltungszustand dem an dieser Stelle immer noch hoch anstehenden Grundwasser. An den Resten dieses Brunnenkastens zeigt sich deutlich das handwerkliche Können, über das bereits vor 7.000 Jahren die Menschen verfügten. Werkzeuge aus Metall gab es zu dieser Zeit noch nicht. 

Neben dieser neolithischen Siedlung fanden sich des Weiteren Belege für die Anwesenheit von Menschen zu anderen Zeiten. Ein bronzenes Rasiermesser, wohl ein verlorenes Einzelstück, stammt aus der Urnenfelderzeit (ca. 1.200 bis 1.000 v. Chr.). Verschiedene Gräben, drei Gräber und zwei Brunnen legen nach einer ersten Sichtung der Befunde und Funde eine Nutzung des Areals durch die Römer nahe. Wo die zugehörige Siedlungsstelle liegt, kann beim derzeitigen Kenntnisstand nur vermutet werden. Vermutlich handelt es sich um einen ländlichen Gutshofbetrieb (villa rustica), wie sie an der Bergstraße auch von anderen Plätzen bekannt sind. Dieser war nach Ausweis der Funde in der zweiten Hälfte des 2. und der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. genutzt. 

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