Domestikation reduziert genetische Vielfalt
Unsere heutigen Hauspferde unterscheiden sich wesentlich in den geschlechtsspezifischen Abschnitten ihres Erbgutes: Im Gegensatz zur Variabilität im mütterlich vererbten Mitochondrium ist die Vielfalt im männlichen vererbten Y-Chromosom bei Hauspferden weitgehend verloren gegangen. Forscher des Max-Planck-Instituts (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig untersuchten nun gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam das Y-Chromosom von acht fossilen Wildpferden aus der Eiszeit und einem 2.800 Jahre alten frühdomestizierten Pferd und verglichen sie mit dem Erbgut heutiger Pferde. Dabei fanden sie heraus, dass die wilden Vorfahren des Hauspferdes eine ansehnliche Y-Chromosom-Vielfalt zeigten.
Rind, Schaf und Hund haben eine interessante Gemeinsamkeit: Wie einige andere heute lebende Säuger zeigen sie eine geringe oder gar keine Variabilität in dem vom Vater vererbten Y-Chromosom im Vergleich zum restlichen Genom. Während das mitochondriale, mütterliche Erbgut bei ihnen sehr unterschiedlich sein kann, ist das Y-Chromosom ähnlich oder gar gleich. Das ist auch bei den heute lebenden Hauspferden der Fall.
Michael Hofreiter und Sebastian Lippold vom MPI und ihre internationalen Kollegen untersuchten wie dieser Rückgang in der genetischen Vielfalt des Y-Chromosoms zu erklären ist. Sie analysierten als Erste die Y-chromosomalen DNA-Sequenzen von 15.000 bis 47.000 Jahre alten Wildpferden und einem 2.800 Jahre alten bereits domestizierten Pferd. Diese verglichen sie mit DNA-Sequenzen von 52 Hauspferden und Przewalski-Pferden, den einzig bis heute überlebenden Wildpferden. Vorherige Studien, in denen nur die mitochondriale DNA, also das mütterliche Erbgut, erforscht wurde, konnten die Ursprünge des modernen Hauspferdes nicht klären.
Die Forscher zeigten nun, dass Wildpferde im Gegensatz zu ihren domestizierten Artgenossen verschiedene Versionen des Y-Chromosoms besaßen. Die Vermutung, dass die geringe Diversität des Y-Chromosom bereits bei Wildpferden vorhanden war, ist damit widerlegt. „Unsere Ergebnisse unterstützen daher die Annahme, dass die geringe genetische Vielfalt bei Hauspferden eine Konsequenz des Domestikationsprozesses ist", sagt Lippold.
Bereits vor 5.500 Jahren wurden die ersten Pferde domestiziert. Die Überreste des frühdomestizierten Pferdes, das die Wissenschaftler analysierten, stammten aus einem Skythengrab. Dem antiken Nomadenvolk aus Zentralasien wurden Pferde als Grabbeigabe zugegeben. Die Forscher fanden heraus, dass das Y-Chromosom des 2.800 Jahre alten Skythenpferdes dem von modernen Pferden ähnlicher ist, als die Varianten des männlichen Erbguts, welche sie in Wildpferden fanden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass mehrere tausend Jahre nach Beginn der Domestikation zumindest diese zwei Varianten existierten und somit eine höhere Diversität als in heutigen Hauspferden bestand.
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