Die verborgenen Schichten im Burghügel von Schloss Pouch

Seit Juli 2022 führt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt archäologische Untersuchungen im Bereich des Schlossparks von Pouch (Ortsteil der Gemeinde Muldestausee, Landkreis Anhalt-Bitterfeld) durch. Sie erlauben tiefgehende Einblicke in die mittelalterliche Bau- und Nutzungsgeschichte des Burgareals. Vor allem Spuren zweier Bauphasen im 9./10. und 13. Jahrhundert erweitern das Wissen um das Schloss Pouch, das sich bislang weitgehend auf die Umgestaltungen des Barock und des Historismus beschränkte.

Barockzeitlicher Fußboden
Repräsentativer barockzeitlicher Fußboden aus sechseckigen Fließen. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Ulf Petzschmann

Schloss und Park Pouch

Prominent gelegen am Ufer des Großen Goitzschesees bestimmt die weitläufige Anlage des Ritterguts von Pouch seit mehreren Jahrhunderten das Ortsbild. Die erste urkundliche Erwähnung als Adelssitz stammt aus dem Jahr 981. Nach mehrmaligem Wechsel der Besitzverhältnisse ging das Rittergut – entstanden aus einer Teilung des Gesamtguts in Alt-Pouch (östlich des Burgwalls) und Neu-Pouch (westlich des Burgwalls) – an das Haus Solms, das in den folgenden Jahrhunderten die Anlage prägen sollte. Die baulichen Änderungen ab 1868 bestimmen die heutige Erscheinung der Gesamtanlage.

Während das Schloss und der Park von Pouch heutzutage unmittelbar am Großen Goitzschesee liegen – bis 2002 hervorgegangen aus dem ehemaligen Braunkohletagebau Goitzsche und inzwischen der zweitgrößte See des Mitteldeutschen Seenlands – entstand das frühere Rittergut am östlichen Hochufer entlang des damaligen Muldelaufs. Markant in der Landschaft gelegen, befindet sich auf dem mittelalterlichen Burghügel ein Komplex, bestehend aus einem Bergfried, den herrschaftlichen Wohngebäuden und einem Wirtschaftshof. Umgeben ist dieser Bereich von einem Gutspark, der sich bis an den Fuß des Hügels erstreckt.

Das Herrenhaus präsentiert sich heutzutage weitgehend in spätklassizistischen Formen, als Ergebnis des oben genannten historistischen Umbaus. Im Kern handelt es sich jedoch um einen Barockbau, der um 1715 errichtet wurde. Das innere wie äußere Erscheinungsbild wurde im 19. Jahrhundert vollständig überformt. Die beiden Türme, die das Herrenhaus flankieren, sind Bauwerke der Gotik und wurden nach Ausweis der bislang verfügbaren, sehr spärlichen Schriftquellen im 13./14. Jahrhundert errichtet. Auch sie wurden im 19. Jahrhundert teilweise umgebaut, um in Verbindung mit dem Herrenhaus der Gesamtanlage ein einheitliches Erscheinungsbild zu verleihen. Herausragender Blickfang ist der Rote Turm, Bergfried der mittelalterlichen Burganlage. Bislang unbekannt war, ob ein in Schriftquellen erwähnter dritter Turm tatsächlich jemals existierte.

Eingebettet ist die gesamte Schlossanlage in einen Landschaftspark, der um 1800 angelegt wurde. Entsprechend der Topografie mit dem Burghügel in der Mitte, ist der Park geprägt durch Terrassierungen. Im 19. und 20. Jahrhundert erfolgten Veränderungen des Parks, der sich über 1,2 Hektar erstreckt.

Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte der Burganlage

Aufgrund der jahrhundertelangen baulichen Umgestaltungen des Burgareals war die mittelalterliche Entstehung des Adelssitzes theoretisch zwar bekannt, präzise Kenntnisse fehlten bislang jedoch. Punktuelle Erwähnungen in Schriftquellen liegen vor, bildliche Zeugnisse der baulichen Zustände vor den barocken Umgestaltungen hingegen nicht. Einzig der Bergfried war ein weitgehend unveränderter Beleg der mittelalterlichen Burg von Pouch. Die diesjährigen Ausgrabungen ermöglichten nun einen tiefgehenden Einblick in die wechselhafte Architekturgeschichte nicht nur der Burg selbst, sondern lassen auch Rückschlüsse zum baulichen Wandel des gesamten Areals zu. Auf einer Fläche von ungefähr 600 Quadratmetern hat das Ausgrabungsteam von bis zu acht Personen die Spuren von mindestens 1.200 Jahren steter Neu- und Umbauten freigelegt und dokumentiert. Die Ausgrabungen enden im Oktober 2022.

Ausgangspunkt der Untersuchungen war ein noch heute im Gelände erkennbarer Keller aus dem 16. Jahrhundert. Im Zuge der Ausgrabungen stellte sich heraus, dass der Keller im Bereich des ehemaligen dritten Turms der Burganlage angelegt worden war. Dieser war aus Schriftquellen bekannt, aber anderweitig bislang nicht nachweisbar. Es wurde ein massives Ziegelfundament freigelegt, das die Stelle des verschollenen dritten, viereckigen Turms am südlichen Ende des Kellers kennzeichnet. Aus archäologischer Sicht herausragend ist die Radiokarbondatierung von Holzkohle aus dem Mörtel des Turmfundaments in das ausgehende 12. bis in das beginnende 13. Jahrhundert. Die Backsteine sind im sogenannten »wilden Verbund« gesetzt. In Kombination handelt es sich somit um eines der frühesten Backsteinbauwerke der Region und einen Ausdruck früher Herrschaft. 

Die derzeit ältesten archäologisch fassbaren Strukturen im Burgwallbereich sind jedoch die Reste der frühesten Burgbefestigung aus dem 9./10. Jahrhundert – die darin befindlichen Funde von sogenannter Menkendorfer Keramik in Kombination mit Radiokarbondatierungen verkohlter Hölzer ermöglichen diese frühe zeitliche Zuordnung. Aus archäologischer Sicht exzeptionell ist eine Baustruktur aus verkohlten Holzbalken in verziegeltem Lehm, die durch das Feuer letztlich konserviert wurde, und bei der es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein Kastenelement des Burgwalls aus dem 9./10. Jahrhundert handelt. Im Innern der Befestigung wurden zahlreiche weitere Gruben sowie ein Ofen aus dieser Zeit freigelegt. Die Befunde deuten auf eine dauerhafte und intensive Nutzung des Geländes im Zusammenhang mit der slawischen Burgbebauung hin.
In den folgenden Nutzungsphasen wurde der Burggraben des 9./10. Jahrhunderts sukzessive verfüllt, das Areal auf dem Burgplateau somit vergrößert und ein Großteil der älteren Anlage in diesem Zuge zerstört und überbaut. Die Innenkante des neuen Burggrabens wurde mit Schotter befestigt. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Burganlage nicht nur erneuert, sondern auch aufwendig erweitert wurde.

Während der bereits erwähnte Keller selbst wohl im 16. Jahrhundert errichtet wurde, ließen sich an ihm Überbauungen aus dem 17. Jahrhundert nachweisen. Hier ist vor allem ein repräsentativer Fußboden aus sechseckigen Fließen hervorzuheben. Ein Münzfund aus diesem Bereich datiert ihn in die 1680er Jahre. Der aufwendig gestaltete Fußboden stimmt mit Angaben in den Schriftquellen überein, die berichten, dass im 17. Jahrhundert das Schloss Pouch – erstmals in seiner neuzeitlichen Geschichte – zum dauerhaften Wohnsitz seiner adligen Besitzer geworden war. Der Befestigungscharakter der mittelalterlichen Burganlage wurde unwichtig, die Umgestaltungen des Barock ließen ein modernes Herrenhaus mit allen Annehmlichkeiten entstehen.

Rätsel geben noch die Reste eines massiven Gebäudes aus sorgfältig gesetzten Bruchsteinen auf, die im teilverfüllten Burggraben aufgedeckt wurden. Die Bearbeitungsweise der Bruchsteine deutet auf eine Entstehung im 17. bis 19. Jahrhundert hin. Verfüllt waren diese Reste mit Asche und Haushaltsabfällen aus dem 20. Jahrhundert.

Nordwestecke des Fundaments des dritten Turms aus dem Spätmittelalter; Gesamtbreite: 10,5 Meter. Foto © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Ulf Petzschmann
Draufsicht Schloss Pouch
Schloss Pouch. Draufsicht auf den freigelegten Schlosskeller des 16. Jahrhunderts. Teil der dreidimensionalen »Structure from motion«-Einmessung. Bild © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Olaf Schröder
Turmfundament
Nordostecke des Fundaments des dritten Turms aus dem Spätmittelalter, daneben (Maßstab) die südliche Stirnwand des Kellers. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Ulf Petzschmann
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