Die unerschlossenen Schätze
"Sammeln - Bewahren - Forschen - Vermitteln" sind die klassischen Aufgaben eines jeden Museums. Als Besucher erlebt man die Exponate meist nur in ihrer "Rolle als Vermittler" von wissenschaftlichen Fakten, Ausstellungskonzepten und Botschaften. Wie viel Schweiß und Arbeit in der Beschaffung, Konservierung und Erforschung der Stücke steckt, bleibt hingegen oft verborgen. Dabei erhält und erweitert insbesondere die museale Forschung das Wissen über das natürliche und kulturelle Erbe, das in den Museen lagert. Allerdings ist gerade die Forschung im Museumsalltag mehr und mehr ins Hintertreffen geraten, so dass die eigentliche Bedeutung vieler Exponate unentdeckt bleibt und nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Dabei können Museen nur durch die Erforschung ihrer Sammlungen langfristig wissenschaftlich fundierte Ausstellungen konzipieren und so ihrem gesellschaftlichen Bildungsauftrag gerecht werden.
Mit der im Jahr 2008 eingerichteten Initiative "Forschung in Museen" will die VolkswagenStiftung vor allem die kleineren und mittleren Museen als Forschungsinstitutionen stärken. Im Vordergrund stehen sowohl die Vernetzung mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen als auch die Ausbildung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. In der ersten Bewilligungsrunde bringt die Stiftung nun elf Vorhaben mit insgesamt rund 3,7 Millionen Euro auf den Weg.
Davon gehen 572.000 Euro an das Vorhaben "Katastrophe oder Ritual? Ein Kriminalfall aus dem 4. Jahrtausend vor Christus - Interdisziplinäre Studie zu einer ungewöhnlichen Mehrfachbestattung" von Professor Dr. Harald Meller, Direktor des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt - Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale), sowie Professor Dr. Kurt W. Alt, Institut für Anthropologie, Universität Mainz.
Ein historischer Kriminalfall - oder doch eher die ritualisierte Bestattung auf natürlichem Wege Verstorbener? Wird sich diese Frage beantworten lassen? Der Fund ist allemal spektakulär: neun Personen, im 4. Jahrtausend v. Chr. kollektiv beerdigt, in jüngster Zeit gefunden oberhalb der Saale bei Halle. Unter ihnen vier erwachsene Frauen, die je ein Kind umarmen; des Weiteren eine schwangere Frau. Zugeordnet wird dieser Fund einer Kollektivbestattung der sogenannten Salzmünder Kultur (3600 bis 3000 v. Chr.), viel mehr jedoch lässt sich noch nicht sagen. Das soll sich nun ändern.
Ein Forscherteam um Professor Dr. Harald Meller vom Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale), und Professor Dr. Kurt W. Alt vom Institut für Anthropologie der Universität Mainz kann nun der Frage nachgehen, ob es sich bei der ungewöhnlichen Mehrfachbestattung tatsächlich um einen Kriminalfall aus dem 4. Jahrtausend vor Christus handelt. Dazu bedienen sie sich moderner molekulargenetischer und biochemischer Methoden, archäologischer Synthesen und forensischer Analysen. Auf diese Weise wollen sie zu Aussagen kommen über Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Toten, die Lebensläufe Einzelner und deren jeweiligen Gesundheitsstatus. Auch über die sozialen Bedingungen der Bestattung erhoffen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse. Sie haben dabei einen guten Vergleichsfund an der Hand: eine nahe gelegene, schon länger bekannte Niederlegung von ebenfalls neun Personen - nur 500 Jahre älter.
Die Forschungsergebnisse fließen ein in eine Wanderausstellung, die es dem Besucher auch erlauben soll, die archäologisch-kriminalistische Arbeitsweise der Wissenschaftler nachzuvollziehen. Darauf darf man gespannt sein, steht doch Harald Meller bereits für den spektakulären Fund und die Präsentation der "Himmelscheibe von Nebra".
519.500 Euro gibt es für das Vorhaben "Römische Großbronzen am UNESCO-Welterbe Limes" von Professor Dr. Dieter Planck und Dr. Martin Kemkes, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, sowie Dr. Gabriele Uelsberg, Direktorin LVR - Rheinisches LandesMuseum Bonn, und Professor Dr. Hans-Markus von Kaenel, Institut für Archäologische Wissenschaften, Universität Frankfurt am Main. 234.400 Euro wurden bewilligt für das Vorhaben "Vorgeschichtsforschung in Bremen unterm Hakenkreuz" von Dr. Frauke von der Haar, Direktorin Focke-Museum in Bremen, und Professorin Dr. Uta Halle, Institut für Geschichtswissenschaft, Professur für Ur- und Frühgeschichte der Universität Bremen.
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