Die Suche nach dem Zusammenhang zwischen Klima- und Kulturwandel
„Ziel ist es, die dortige Klima- und Ökosystemdynamik während der vergangenen 10.000 Jahre sowohl für die Küstenländer als auch für den Meeresraum zu rekonstruieren und sie in Beziehung zu archäologischen Befunden zu setzen", erklärt Expeditionsleiter Prof. Dr. Jörg Pross vom Institut für Geowissenschaften. Der Forschungsreise im Herbst 2017 gehören Kooperationspartner aus Griechenland, Italien und den USA an.
„Die Geschichte des östlichen Mittelmeerraums weist eine Reihe sozioökonomischer und soziokultureller Umbrüche auf. Obwohl für mehrere dieser Brüche klimatische Ursachen vermutet werden, fehlen für die Klärung möglicher Zusammenhänge bisher geeignete Klimadaten, die wir mit Erkenntnissen aus der archäologischen Forschung in Verbindung bringen könnten", erklärt Jörg Pross. Zur Rekonstruktion der Veränderungen zu Lande und im Meer werden die Wissenschaftler in Landnähe Bohrkerne aus dem Meeresboden ziehen, die verschiedene Klima- und Umweltindikatoren enthalten. Dazu gehören zum Beispiel Pollen von Landpflanzen, die in das Meer gelangten und am Meeresboden abgelagert wurden. „Mit diesem Ansatz können wir die Umweltverhältnisse direkt für diejenigen Regionen und Zeiten rekonstruieren, für die unsere Kollegen aus der Archäologie soziokulturelle Umbrüche identifiziert haben", sagt Prof. Pross. Die Sedimentkerne sollen in Heidelberg ausgewertet werden.
Zugleich wollen die Forscher anhand der Bohrkerne rekonstruieren, wie sich die Ökosysteme im östlichen Mittelmeer über die vergangenen 10.000 Jahre verändert haben. So legen bisherigen Daten zum Beispiel nahe, dass dort bis vor rund 6.000 Jahren viel mehr Fische lebten und die Populationen auch völlig anders zusammengesetzt waren. „Die gesamte marine Nahrungskette hat sich drastisch verändert", sagt Jörg Pross. In diesem Zusammenhang werden die Wissenschaftler der Frage nachgehen, inwiefern diese Wechsel der marinen Nahrungsressourcen auch die frühen Kulturen an der Ägäis-Küste beeinflusst haben – und ob umgekehrt bereits frühe Kulturen grundlegend in die Struktur der marinen Ökosysteme eingegriffen haben. Dazu werden die Experten zum Beispiel mikroskopisch kleine Fischschuppen und Fischzähnchen analysieren, die im Meeresboden erhalten geblieben sind.
„Vor dem Hintergrund des aktuellen, vom Menschen verursachten Klimawandels hat sich die Frage, wie sich frühere Klimaänderungen auf die Menschheit auswirkten, zu einer der spannendsten Fragen an der Schnittstelle von Natur- und Geisteswissenschaften entwickelt", betont Prof. Pross, der auch dem Heidelberg Center for the Environment (HCE) angehört. „Der intensive Dialog zwischen Paläoklimatologen und Archäologen, den wir bereits im HCE führen, ist eine wichtige Voraussetzung, um Zusammenhänge zwischen Klimaereignissen und sozioökonomischen Umbrüchen aufzudecken und die ihnen zu Grunde liegenden Prozesse zu entschlüsseln."
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