Die Kirche unter dem Gemüsegarten
Seit Anfang Juli gräbt ein Archäologenteam des LWL in der Gemeinde Wehrendorf (Kreis Herford). Dabei haben die Wissenschaftler die Fundamente der ältesten Kirche auf dem Stadtgebiet von Vlotho freigelegt. Hinweise aus der Bevölkerung und die Initiative von Pfarrer Christoph Beyer hatten die Archäologinnen auf die Spur der Kirche gebracht, deren genaue Lage bisher unbekannt war. Um das Bodendenkmal zu lokalisieren und seine Erhaltung zu überprüfen, wurde vor Ort ein sogenannter Suchschnitt angelegt.
Die Wissenschaftler wurden im ehemaligen Gemüsegarten der Familie Weckesser schnell fündig. »Direkt unter der Gartenerde lagen die 1,20 Meter breiten Fundamente«, erzählt Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen. »Wir konnten den Grundriss einer Kirche erkennen, die aus gemörteltem Bruchsteinmauerwerk erbaut wurde.« Die Expertinnen des LWL haben bislang Teile des Kirchensaals freilegen können, also des Hauptraums. Auch von der inneren Gestaltung des Kirchbaus fanden sich bereits Spuren.
Besonders interessant sind Reste eines offenbar nachträglich eingebauten Stützpfeilers für eine gewölbte Decke. Denn dieser Pfeiler wurde anders gemauert als die Außenmauer. »Der Pfeiler deutet darauf hin, dass die Kirche offenbar nicht von Anfang an im romanischen Stil errichtet wurde«, erläutert Grabungsleiterin Ute Koprivc. »Vorher hatte sie als Dach eine flache Decke mit durchgezogenen Balken.« Als Romanik wird ein Architekturstil bei Kirchen bezeichnet, der im Laufe des 11. Jahrhunderts entsteht. »Das heißt, die vorromanische Kirche wurde ursprünglich schon im 9. oder 10. Jahrhundert errichtet«, ergänzt Spiong. »Damit ist sie die älteste Kirche Vlothos.«
Die Ursprünge der Kirche, die an einer Wegkreuzung gestanden hatte, liegen im Dunkeln. »Sie wurde bereits vor dem Jahr 1258 durch die Kirche im benachbarten Valdorf ersetzt«, erklärt LWL-Grabungstechnikerin Koprivc. »Diese hatte die Funktion der Pfarrkirche vermutlich sogar schon im 12. Jahrhundert von Wehrendorf übernommen.« Nach dieser Funktionsübertragung blieb die Kirche aber noch viele Jahrhunderte lang in Wehrendorf bestehen. Sie soll im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) zwar zerstört, jedoch später wiederaufgebaut und noch längere Zeit benutzt worden sein.
Bis in das 18. Jahrhundert hinein bestatteten die Wehrendorfer hier auch noch ihre Verstorbenen. »Im Jahr 1828 wurde das Gebäude, das immer weiter verfallen war, schließlich abgerissen«, so Spiong. »Schnell geriet in Vergessenheit, wo genau die Kirche eigentlich gestanden hatte.« Allerdings stießen Anwohner bei Gartenarbeiten immer wieder auf Bruchsteine und menschliche Knochen. Außerdem war aus Archivunterlagen bekannt, dass das Gebäude auf einem der Kirchengemeinde zugeordneten Grundstück gelegen hatte und 8,50 bis 9,75 Meter breit und 13,50 Meter lang gewesen sein soll.
Die überlieferten Maße der Kirche konnten durch die Grabungen aber nicht ganz bestätigt werden. Die Breite beträgt zwar tatsächlich etwas über 8 Meter, jedoch ist bereits der Saal um die 16 Meter lang. Zusammen mit dem noch nicht freigelegten Chor dürfte die Kirche also wesentlich länger gewesen sein, als schriftlich überliefert wurde. »Das zeigt, dass archäologische Grabungen die Erkenntnisse aus den Schriftquellen sinnvoll ergänzen können. Oder sie eben auch korrigieren«, führt Spiong an.
Das imposante Steingebäude hatte in seiner letzten Bauform einen Fußboden, der teilweise aus senkrecht gesetzten Bruchsteinplatten - ein sogenanntes Riemchenpflaster - und teilweise aus horizontalen Bodenplatten gesetzt war. Kleine Reste von flachen Glasscheiben geben als einziges einen Hinweis auf die einst vorhandenen Kirchenfenster.
Die Archäologen fanden auch Scherben von mittelalterlicher Keramik, die eine frühe Gründung der Kirche bestätigen. Doch das tatsächliche Gründungsdatum der Kirche kann dadurch allein noch nicht genauer eingegrenzt werden. »Wir hoffen daher, jetzt Reste von Holzkohle im Fundament zu finden«, meint Koprivc. »Diese könnte uns durch eine Untersuchung mit naturwissenschaftlichen Methoden genauere Hinweise zur Datierung geben.«
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