Die Garde des Statthalters – Sensationsfund in Carnuntum
Beinahe die gesamte römische Stadt, die einst über 10 km² bedeckte, ist heute noch unter den Feldern und Weingärten der Orte Petronell-Carnuntum und Bad Deutsch-Altenburg erhalten. Im Rahmen des Projektes »Gesamtprospektion Kernzone Carnuntum« wurde das Areal vom Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) in enger Zusammenarbeit mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik und dem Institut für Kulturgeschichte der Antike der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit Magnetfeldsensoren und Bodenradar durchleuchtet. Derzeit wird der riesige Datensatz wissenschaftlich ausgewertet.
Die Auswertungen der Messergehnisse haben nach der Entdeckung der Gladiatorenschule im Jahr 2011 und den frühesten Marschlagern im Jahr 2014 als nächstes wissenschaftlich ausgewertetes Fallbeispiel einen bislang völlig unbekannten Befund an der westlichen Peripherie von Bad Deutsch-Altenburg kenntlich gemacht: im Südbereich des (bereits bekannten) Statthalterpalastes von Carnuntum konnte jetzt eindeutig nachgewiesen werden, dass hier im direkten funktionalem Zusammenhang die Kasernen der Statthaltergarde (equites und pedites singulares) dem Statthalter der Provinz Pannonia Superior zur Verfügung standen. Dies ist, wenn man das Imperium Romanum überblickt, bislang der einzige Standort, wo Statthaltersitz und seine »Bewachungstruppe« verortet werden können. Von keinem Limesort gibt es diesbezüglich archäologische Befunde, selbst in Rom sind die Hinweise auf die Prätorianergarde des Kaisers sehr mager. Einzig eine kleine bauliche Struktur in Lambaesis/ Algerien könnte auf einen ähnlichen Komplex für den dortigen Statthalter hindeuten. Durch die Entdeckung der neuen Quartiere ist nunmehr auch klar, warum der Statthalter der Provinz Pannonia Superior sehr sicher agieren konnte: er war zu seinem Schutz nicht auf die ständig im benachbarten Legionslager stationierten Soldaten der 14. Legion angewiesen, sondern konnte voll auf die von allen Limesstandorten der Provinz temporär abgestellten Truppeneinheiten vertrauen.
Carnuntum hat damit innerhalb der Jahrhunderte, wo es in der damaligen Weltpolitik mitspielte, einmal mehr einen einzigartigen Befund für die römische Vergangenheit Niederösterreichs hinterlassen und kristallisiert sich damit immer mehr als eine der wichtigsten Städte des ehemaligen Römischen Reiches in Europa heraus.
»Dieser neuerliche Sensationsfund unterstreicht einmal mehr die historische Bedeutung des Kulturerbes Carnuntum und ist eine Bestätigung für das Land Niederösterreich, in die Erforschung und Präsentation der ehemaligen römischen Metropole zu investieren. Befunde wie dieser tragen dazu bei, Carnuntum noch mehr einem internationalen touristischen Publikum bekannt zu machen und die Bedeutung als kulturtouristischen Magnet weiter auszubauen«, zeigt sich Landesrätin Dr. in Petra Bohuslav begeistert.
Der wissenschaftliche Leiter der Römerstadt Carnuntum, Hofrat Mag. Franz Humer meint dazu: »Ich bin seit beinahe 30 Jahren in Carnuntum tätig. Durch die konsequente Grundlagenforschung des Landes Niederösterreich mit wissenschaftlichen Partnern erschließen sich fast jedes Jahr neue wissenschaftliche Highlights, die wir trotz fast 170-jähriger archäologischer Forschung nicht für möglich gehalten haben. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass historisch gesehen die Römerstadt Carnuntum, abgesehen vom mediterranen Raum, ein absoluter »Hotspot« der römischen Antike war.«
Einen positiven Effekt für die nachhaltige Positionierung auf dem internationalen kulturtouristischen Markt erwartet sich Geschäftsführer Dr. Markus Wachter: »Vor allem seit der Entdeckung der Gladiatorenschule sind die Bekanntheit von Carnuntum und der Anteil an internationalen Besuchern deutlich gestiegen. Funde wie der aktuelle stärken die internationale Bedeutung und unterstützen die Positionierung als Wiedergeborene Stadt der Kaiser«.
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