Des Kaisers Bronzepferd
Als im August dieses Jahres Andrea Hampel, die Leiterin des Denkmalamtes der Stadt Frankfurt, im Archäologischen Museum anrief und von einem römischen Fund berichtete, „da habe ich erst mal eine ganze Minute geschwiegen“, sagt Peter Fasold. Was dem Wissenschaftler so die Sprache verschlug, war die Einmaligkeit der Entdeckung. Denn es handelte sich um Fragmente einer bronzenen Reiterstatue und einen Münzschatz, die der Hobbyforscher Roberto Carelli im Frankfurter Stadtteil Niedereschbach gefunden und umgehend dem Denkmalamt gemeldet hatte. Das klingt für Laien eigentlich nicht besonders aufregend, für Archäologen allerdings bedeutete es eine Sensation. Nördlich der Alpen nämlich finden sich Reiterstatuen aus römischer Zeit außerordentlich selten, und in Hessen sind bislang nur zwei nachgewiesen. Natürlich haben sich seinerzeit die Herrscher des Weltreichs durchaus hoch zu Ross bewegt, wie Abbildungen anderenorts beweisen, offensichtlich aber mussten ihre Statuen hierzulande ein recht unrühmliches Schicksal erleiden.
Chaos im Römerreich
So beleuchtet die „Geschichte hinter dem Fund“ die unruhige Epoche um die Mitte des dritten Jahrhunderts, als die Macht der Römer zu schwinden begann und es im Staat heftig kriselte. Im Osten des Reiches bedrohten die Parther die Grenze, so dass Truppen vom obergermanisch-rätischen Limes zum Euphrat abgezogen werden mussten, was die Germanen zu verheerenden Einfällen in die Grenzregionen am Rhein nutzten. Den herbei geeilten Kaiser Severus Maximus erschlugen in Mainz seine eigenen Truppen, worauf im allgemeinen Chaos jeder gegen jeden kämpfte und sich die staatliche Ordnung endgültig auflöste.
Vergrabene Schätze
Zum Frankfurter Schatzfund gehören 107 römische Münzen: 105 Silber- und zwei Bronzeprägungen. Auch zwei weitere Bronzemünzen, die im Umfeld gefunden wurden, sowie einige unbestimmbare Metallfragmente können vom Schatzfund stammen. Eine solche Barschaft entspricht in etwa dem Sold eines Legionssoldaten für eineinhalb Monate. Neben den beiden Bronzemünzen und einigen Denaren, den gängigen Silbermünzen der frühen römischen Kaiserzeit, enthält der Fund vor allem so genannte Antoniniane, Doppeldenarstücke. Diese Kombination von Silber- und Bronzegeld ist außergewöhnlich, da sie in der Antike meistens getrennt gehortet wurden. Außer den Münzen enthielt der Schatz auch Schmuckgegenstände wie eine silberne Fibel, einen Silberring und einen sechseckigen Goldring auf. Bruchstücke von Beschlägen lassen vermuten, dass der Schatz in einem Holzkästchen vergraben wurde.
Kaiserliche Locken
Nicht weit entfernt vom Schatzdepot kamen 57 Fragmente einer Bronzestatue mit einem Gesamtgewicht von rund fünfzehn Kilogramm ans Tageslicht. Ohne Frage gehören die Bronzen zu einer römischen Reiterstatue. Vom Reiter selbst ist ein Teil der Frisur vorhanden, deren typische Stirnlocken zur Zeit Kaiser Trajans modern waren, so dass es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um ihn handelt. In der Mehrzahl weisen die Stücke eine sorgfältig bearbeitete Oberfläche und eine unbearbeitete Rückseite auf. Zum Pferd gehören unter anderem eine Ferse, ein Teil der Trense im Maul und Teile mit deutlicher Muskeldarstellung.
Großes Reiterstandbild
Bevor der Fund demnächst mit modernsten Methoden unter Laborbedingungen restauriert und eingehend untersucht wird, will man ihn für kurze Zeit (bis zum 16. Januar 2011) der Öffentlichkeit vorstellen. Um ihn anschaulicher zu präsentieren, bereitet das Archäologische Museum eine Art Inszenierung, indem auf einem nachgebauten, 4,50 Meter hohen Reiterstandbild die Stellen der Fragmente markiert sind. Gleichzeitig werden auch der Münzschatz und der Pferdekopf von der Statue des Kaisers Augustus gezeigt, der vor einigen Jahren im hessischen Waldgirmes gefunden wurde und der sich zurzeit in Restaurierung befindet.
Die jüngsten Funde sollen in einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Römisch-Germanischen Kommission (RGK), der hessischen Landesarchäologie, dem städtischen Denkmalamt und dem Archäologischen Museum Frankfurt/Main wissenschaftlich untersucht und ausgewertet werden. Nach Abschluss der Arbeiten sollen die Ergebnisse in einer Publikation vorgelegt und in einer internationalen Ausstellung präsentiert werden.
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