Der frühe Mensch war bereits ein Meister der Holzbearbeitung
Die Analyse beruht auf Untersuchungen mittels dreidimensionaler Oberflächenmikroskopie, Mikro-Computertomographie (Mikro-CT), abgeschwächter Totalreflexions-Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (ATR-FTIR), 3D-Modellen und Makrofotografie. Sie ergab, dass das Wurfholz aufwändig geformt, getrocknet und geschliffen wurde, bevor es bei der Jagd auf Tiere zum Einsatz kam. Die in der Zeitschrift PLOS ONE veröffentlichten Forschungsergebnisse deuten auch darauf hin, dass die Entwicklung leichter Jagdgeräte die Gruppenjagd auf kleine und mittelgroße Tiere ermöglichte. Wurfhölzer erwiesen sich als äußerst vielseitig und konnten von allen Gruppenmitgliedern, sogar Kindern, zur Jagd eingesetzt werden.
Dr. Annemieke Milks von der Abteilung für Archäologie der University of Reading leitete die Untersuchung und zeigt sich beeindruckt: »Die Entdeckung von Holzwerkzeugen hat unser Verständnis des frühen menschlichen Verhaltens revolutioniert. Diese Wurfhölzer zeugen von einer beeindruckenden Planungstiefe, einem umfassenden Wissen über die Eigenschaften von Holz und einer Vielzahl von Holzbearbeitungstechniken, die bis heute in Gebrauch sind. Es ist faszinierend zu sehen, dass solche leichtgewichtigen Wurfhölzer vermutlich einfacher zu handhaben waren als schwerere Speere, was es auch Kindern ermöglichte, das Werfen und die Jagd zu erlernen.«
Co-Autor Dr. Dirk Leder vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege fügt hinzu: »Die frühen Menschen von Schöningen nutzten einen Fichtenzweig, um dieses aerodynamische und ergonomische Werkzeug herzustellen. Die Holzverarbeitung umfasste mehrere Schritte, darunter das Einschneiden und Abziehen der Rinde, das Schnitzen in eine aerodynamische Form, das Abschaben eines größeren Teils der Oberfläche, das Trocknen des Holzes, um Risse und Verformungen zu vermeiden, und das Schleifen zur sicheren Handhabung«.
Die Wurfhölzer, von denen das 77 Zentimeter lange Exemplar nur eines von vielen in Schöningen entdeckten Werkzeugen ist, dienten wahrscheinlich zur Jagd auf mittelgroßes Wild wie Rehe und Rothirsche. Auch schnelle kleine Beutetiere wie Hasen und Vögel, die schwer zu fangen waren, konnten mit diesen Wurfhölzern erbeutet werden. Ähnlich einem Bumerang wurden die Wurfhölzer rotierend geworfen, erreichten hohe Geschwindigkeiten auf Distanzen bis zu 30 Metern und verursachten tödliche Treffer.
Die sorgfältig geformten Spitzen, die geglättete Oberfläche und der durch die Handhabung entstandene Glanz lassen darauf schließen, dass es sich um aufwändig hergestellte Waffen handelte, die über längere Zeit genutzt wurden und möglicherweise beim Werfen im Schilf am Ufer des ehemaligen Schöninger Sees verloren gingen.
Projektleiter Thomas Terberger zeigt sich begeistert von den Ergebnissen: »Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell geförderte systematische Analyse der Holzfunde des Fundortes Schöningen liefert wertvolle neue Erkenntnisse für die Zeit vor 300.000 Jahren, und es sind bald weitere spannende Ergebnisse zu diesen einmalig erhaltenen frühen Holzwaffen zu erwarten.«
Das Wurfholz kann im Forschungsmuseum Schöningen am Fundort im Original besichtigt werden.
Publikation
A double pointed wooden throwing stick from Schöningen, Germany: Results and new insights from a multianalytical study
PLOS ONE 18(7): e0287719. 19.07.2023
DOI: 10.1371/journal.pone.0287719
https://journals.plos.org/plosone/articl...
Schöninger Wurfholz in 3D
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