Der Entstehung der Stadt Bielefeld auf der Spur
Viel ist über die Stiftsimmunität, die im späten 13. Jahrhundert das heutige Gesicht der Stadt mitprägte, nicht bekannt. Genau dort stehen nun archäologische Voruntersuchungen im Rahmen von Bauarbeiten an. Ein unterirdisches Regen-Rückhaltebecken soll an dieser historischen Stelle entstehen. Denn die Sanierung der Lutter, die durch den Park der Menschenrechte fließt, ist dringend erforderlich, so der Ratsbeschluss. Die Bauarbeiten werden die archäologischen Zeugnisse der Stadtwerdung, die hier im Boden verborgen sind, zerstören. Deshalb müssen die Archäologen laut Gesetz im Vorfeld die Spuren der Vergangenheit dokumentieren und für die Nachwelt sichern.
Am kommenden Montag richtet die Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen die archäologische Baustelle ein und zieht den Mutterboden ab. Am Dienstag rücken die Bagger an, um tiefer in den Boden und damit in die Entstehungszeit des Stadtviertels vorzudringen. "Die Stiftsimmunität ist nicht nur ein abstrakter Begriff aus der Stadtchronik", weiß Dr. Daniel Bérenger als Leiter der LWL-Archäologie in Bielefeld. "Sie war auch deutlich baulich vom übrigen Teil der Stadt abgegrenzt." Die Fachleute hoffen nicht nur, diese Spuren bei den ersten Untersuchungen zu entdecken. Auch die innere Bebauung und Nutzung dieses Stadtviertels, das eine eigene kirchliche Gerichtsbarkeit besaß und damit eigenständig war, ist für die Archäologen interessant.
1214 hatte der Graf von Ravensberg die Altstadt gegründet - nicht nur zur Sicherung der eigenen Herrschaft, auch zu Vermehrung der Wirtschafts- und Finanzkraft. Danach entstand die Sparrenburg, um die neue Stadtgründung auch militärisch zu sichern. Auf der Fläche zwischen Altstadt und Burg siedelten sich die Handwerker an, die jene großen Bauvorhaben ausführten. Hier entstand die Neustadt und zur gleichen Zeit die ebenfalls vom Grafen gegründete Stiftsimmunität, die fast ausschließlich aus den schriftlichen Überlieferungen bekannt ist.
Grabungsleiterin Dr. Julia Hallenkamp-Lumpe wird dabei nicht nur von einer weiteren Archäologin und ehrenamtlichen Grabungshelfern unterstützt. Auch die Schüler des benachbarten Gymnasiums Am Waldhof packen während der Sommerferien mit an und gehen der Vergangenheit eigenhändig im Rahmen von Schülerpraktika auf den Grund. Dabei schnuppern die Neuntklässler nebenbei in die Arbeit der Archäologen hinein und lernen jenseits der Schulbücher aus eigener Anschauung, wie neue Geschichtskapitel geschrieben werden.
Die archäologischen Arbeiten sind in Absprache mit der Stadt Bielefeld in die Sommerferien gelegt worden, um den Schulbetrieb nicht zu beeinträchtigen. Die Planungen erfolgten in enger Kooperation zwischen der Kommune und dem LWL. Dabei stand auch der Schutz der Bäume auf den betroffenen Flächen im Vordergrund. Die Stadt hat Flächen bereitgestellt, damit die aufgeworfene Erde gelagert werden kann, ohne die Baumwurzeln zu belasten. Durch die archäologischen Voruntersuchungen wird der Baumbestand also in keiner Weise angetastet. Nach Abschluss der Arbeiten wird der Boden wieder eingefüllt.
Die LWL-Archäologen werden im Rahmen der fortschreitenden Bauarbeiten noch weitere Untersuchungen durchführen. So wird voraussichtlich im Frühjahr des kommenden Jahres im Nordteil des Parks der Menschenrechte jener Bereich näher erforscht, in dem die bürgerliche Bebauung der Neustadt in seinen Ursprüngen verborgen liegt. Auch hierüber ist noch nicht viel bekannt.
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