Das Antlitz einer römischen Göttin in Stein
In einer Grube, welche der Kiesgewinnung diente, wurde in der letzten Grabungswoche der figürlich verzierte Steinblock entdeckt. Er lag mit dem Gesicht nach unten in der Grube. Gemäss den mit ihm zusammen gefundenen Keramikscherben kam er um die Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus in den Boden.
Ein ungeschriebenes Gesetz der Archäologie besagt, dass die bedeutendsten Funde immer erst am Schluss einer Ausgrabung zum Vorschein kommen. So war es auch bei den Ausgrabungen Vindonissa-Vision Mitte in Windisch. Diese untersuchten vorgängig zum Bau des neuen Campus der Fachhochschule Nordwestschweiz eine Fläche von annähernd 25'000 Quadratmeter.
Der Steinblock ist rundherum bearbeitet. Die Vorderseite ist als Nische mit gewölbtem oberem Abschluss gestaltet. Darin ist in frontaler Darstellung das Antlitz einer Frau herausgearbeitet. Die Dargestellte trägt schulterlanges, gelocktes Haar sowie vermutlich ein Stirnband. Das Stirnband deutet darauf hin, dass mit dem Bildnis eine Göttin gemeint sein könnte. Oder erkannte der antike Betrachter in der Frau eher das Abbild einer Verstorbenen?
Möglicherweise diente der Stein als Schmuck des Firstes eines Grabbaus. Gräber aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts nach Christus zu denen die Skulptur gehören könnte, kennt man seit dem 19. Jahrhundert. Entsprechend der römischen Tradition lagen sie entlang der aus der Siedlung herausführenden Strasse nach Augusta Raurica. Diese Strasse ist mit der Hauptstrasse in der Brugger Altstadt und der Alten Zürcherstrasse identisch. Ihre Fortsetzung auf der Windischer Seite des Bahnhofs Brugg konnte in den Ausgrabungen Vision Mitte auf einer Länge von über 100 Metern freigelegt werden. Dabei wurden elf römische Gräber entdeckt.
Vielleicht handelt es sich aber auch um ein Weihebild aus einem Tempelbezirk, wie jenem der 2007 nur wenig weiter westlich auf dem Gelände der Brugg Kabel AG entdeckt worden ist.
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