Chronologie des Alten Ägypten analysiert

Im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts wurde mit Hilfe der Radiokarbonmethode die Chronologie der pharaonischen Zeit Ägyptens analysiert. Ein internationales Team aus Großbritannien, Österreich, Frankreich und Israel hat dazu zeitlich gut zuordenbare Objekte aus europäischen und nordamerikanischen Museen 14C-datiert.

Eva Maria Wild im VERA-Labor (Foto: Universität Wien)
Eva Maria Wild im VERA-Labor (Foto: Universität Wien)

Von der Universität Wien war Eva Maria Wild, Leiterin des 14C-Programms am Vienna Environmental Research Accelerator-Labor (VERA), an dem Forschungsprojekt beteiligt. Die Ergebnisse – Verschiebungen bei der Chronologie im Alten Reich und die Vordatierung des Beginns des Neuen Reichs – erscheinen nun in der aktuellen Ausgabe des renommierten Forschungsjournals "Science".

Die historische Chronologie der dynastischen Zeitperiode Ägyptens beruht auf der Dauer der Regierungszeiten der einzelnen Pharaonen, die aus schriftlichen Überlieferungen und aus archäologischen Informationen abgeleitet wurde. Diese relative Chronologie wird zeitlich durch einige astronomische Beobachtungen, die ebenfalls in den schriftlichen Aufzeichnungen dieser Zeit beschrieben werden, fixiert. Da es jedoch bei der Auslegung der überlieferten Himmelserscheinungen gewisse zeitliche Unsicherheiten gibt, erschien es wünschenswert, eine davon unabhängige absolute Chronologie für die pharaonische Zeit Ägyptens zu erstellen.

Dies wurde nun in einem dreijährigen Projekt unter der Leitung von Christopher Bronk Ramsey, Direktor der Radiocarbon Accelerator Unit der Universität Oxford, von einem internationalen ForscherInnenteam aus Großbritannien, Österreich, Frankreich und Israel mit der Radiokarbonmethode erreicht. Dazu wurden 211 Proben aus verschiedenen europäischen und nordamerikanischen Museen 14C-datiert. Voraussetzung für die Auswahl der Proben war, dass diese eindeutig einer bestimmten Zeitperiode innerhalb der historischen ägyptischen Chronologie, wie etwa der Regierungszeit eines Pharaos oder dem Gründungszeitpunkt eines Tempelbaus, zugeordnet werden konnten. Die 14C-Datierungen wurden mit Accelerator Mass Spectrometry (AMS) an der Universität Oxford, der Universität Wien und dem Forschungslabor in Saclay/Frankreich durchgeführt.

 

Eva Maria Wild, Leiterin des 14C-Programms der Beschleunigeranlage des VERA-Labors und stellvertretende Sprecherin der Forschungsgruppe Isotopenforschung der Universität Wien, hat maßgeblich an dieser Studie mitgearbeitet. Sie erläutert die Ergebnisse: "Die so erstellte, auf 14C-Messungen beruhende Chronologie der pharaonischen Zeit Ägyptens bestätigt zwar im Wesentlichen die historische ägyptische Chronologie, ergibt aber doch für das sogenannte Alte Reich etwas höhere Alter als von einigen ÄgyptologInnen angenommen wurde. Zum Beispiel wird der Beginn der Regierungszeit von Djoser (3. Dynastie) in die Zeitspanne von 2691 bis 2625 v. Chr. datiert. Auch der Beginn des Neuen Reiches wird geringfügig vordatiert, in die Zeit von 1570 bis 1544 v. Chr. Dieses Ergebnis wird sicher wesentlich zur Klärung der bisher bestehenden, unterschiedlichen Meinungen über die zeitliche Fixierung der historischen ägyptischen Chronologie beitragen.“

Unter Ausnützung der auf Grund der Königslisten bekannten Information über die zeitliche Abfolge der Proben und unter Einbeziehung der ebenfalls als bekannt anzusehenden Regierungszeiten der einzelnen Pharaonen konnten die 14C-Daten sehr genau kalibriert (in Kalenderzeitbereiche umgelegt) werden. Für das Neue Reich konnte so eine Chronologie erstellt werden, die auf etwa 24 Jahre genau ist. Für die älteren Dynastien wurde diese Genauigkeit wegen der geringeren Anzahl an verfügbaren Proben zwar nicht erzielt, trotzdem wurden auch in diesem Zeitbereich erhebliche Verbesserungen der Genauigkeit gegenüber einer Einzelmessung erreicht.

 

Das Beschleunigerlabor der Universität Wien gehört mit zu den international führenden Labors im Bereich der 14C-Datierungen. Neben internationalen Projektbeteiligungen ist die wohl bedeutendste Forschungskooperation ähnlicher Art der Spezialforschungsbereich (SFB) SCIEM2000. Bei diesem – von Manfred Bietak, emeritierter Professor für Ägyptologie der Universität Wien geleiteten – Forschungsprojekt geht es darum, die Kulturen im östlichen Mittelmeerraum in der Bronzezeit zu synchronisieren. Es gibt auch Zusammenarbeiten mit den Bereichen Anthropologie, Archäologie, Ur- und Frühgeschichte, Botanik und Paläontologie der Universität Wien und anderen österreichischen Universitäten. Darüber hinaus gibt es Kooperationen mit Museen, allen voran das Naturhistorische Museum in Wien.

Publikation

Christopher Bronk Ramsey, Michael W. Dee, Joanne M. Rowland, Thomas F. G. Higham, Stephen A. Harris, Fiona Brock, Anita Quiles, Eva M. Wild, Ezra S. Marcus & Andrew J. Shortland: Radiocarbon Based Chronology for Dynastic Egypt, Science, 18. June 2010.

Englische Zusammenfassung

Probe eines Papyrus des Metropolitan Museum of Art (Foto: Universität Wien)
Probe eines Papyrus des Metropolitan Museum of Art (Foto: Universität Wien)
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