Außergewöhnliche Bronzezeitfunde in Haldensleben
Das heute vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Gelände bot seit dem Neolithikum hervorragende Ausgangsbedingungen für eine Siedlungstätigkeit, die über 6.000 Jahre zu verfolgen ist. Bis zu 40 Mitarbeiter untersuchten bisher insgesamt vier Fundstellen nördlich und südlich des Mittellandkanals. Eine davon befindet sich derzeit noch in Bearbeitung. Die Geländearbeiten werden noch bis Mitte Mai andauern.
Die ältesten Spuren menschlicher Nutzung, die bei den aktuellen Ausgrabungen westlich der Beber aufgedeckt wurden, sind Bestattungen der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit. Bei der Mehrzahl der bislang rund 3.000 ausgegrabenen Befunde handelt es sich jedoch um die Überreste einer mehrere Hektar großen Ansiedlung der jüngeren Bronze- bzw. frühen Eisenzeit (um 1.000 v. Chr.): In der überwiegenden Mehrzahl begegnen Vorrats- und Abfallgruben, aber auch Hausgrundrisse, die bislang in diesen Breiten gänzlich unbekannt sind, sowie Ofenanlagen und Werkplätze.
Die Ergebnisse der letzten Grabungswochen erhärten den Verdacht, dass die Siedlung am Beberdüker vor etwa 2.800 Jahren keineswegs nur ein kleines Bauerndorf, sondern eher eine prosperierende Handwerkersiedlung mit weitreichenden Handelskontakten vornehmlich nach Nordeuropa war. Nicht nur die Größe der Siedlung, sondern auch die erhaltenen archäologischen Strukturen – die für diese Gegend außergewöhnlichen Hausgrundrisse erinnern an für den skandinavischen Bereich typische Formen – und die zum Teil ungewöhnlichen Funde begeistern die Archäologen. Neben tausenden Keramikscherben und anderen „gewöhnlichen“ Funden wie Rotlehm von Hauswänden und Knochen wurden auch Gusstiegel, Bronzeschmuck und Geweihgeräte ausgegraben. So wurde bei der Untersuchung einer Abfallgrube eine bearbeitete, mit zahlreichen Kreisaugen verzierte Geweihaxt entdeckt. Sie ist in einer Länge von rund 11 cm und einer Höhe von 6,5 cm vollständig erhalten und wurde aus dem Rosenstück eines Hirschgeweihs gearbeitet, wobei die Rose vollständig entfernt wurde. Das Gerät steckte ehemals auf einem Schaft und ist mit unterschiedlichen Kreisaugenmotiven verziert, deren Durchmesser zwischen 3 und 7 mm variieren. Außergewöhnlich sind drei in den Korpus getriebene Bronzestifte, die sich auf dem Haupt der Axt befinden und vermutlich zu einer nicht mehr erhaltenen Applikation gehörten. Gerade dieses Objekt gibt den Archäologen einige Rätsel auf: Während der Verbreitungsschwerpunkt punktverzierter Geweihäxte im nördlichen Mitteleuropa und südlichen Nordeuropa liegt, sind sie in Mitteldeutschland nicht unbedingt typisch; ein weiteres Exemplar ist etwa aus Halle-Ammendorf bekannt. Zwar ist gewiss, dass alle Hirschgeweihäxte mit Kreisaugenzier in die jüngere Bronzezeit datieren, doch besteht keine Klarheit im Hinblick auf ihre Verwendung: Handelt es sich um Werkzeuge, Waffen oder Würdezeichen, die als Statussymbol getragen wurden?
So zeichnen die Befunde am neuen Beberdüker, auch wenn sie zur Zeit nur einen kleinen Einblick in das Leben der Menschen vor rund 3.000 Jahren ermöglichen, doch bereits jetzt das Bild einer über Jahrtausende hinweg intensiv genutzten Siedlungslandschaft im Tal der Beber mit einem unerwarteten Ausmaß an überregionalen Beziehungen in nordeuropäische Kulturkreise.
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