Ausgrabungen in Sendenhorst enthüllen 800 Jahre Stadtgeschichte
»Durch Befunde und Funde bei den Ausgrabungen werden 800 Jahre Stadtgeschichte lebendig«, so der LWL-Archäologe Dr. Andreas Wunschel.
Bei den diesjährigen Grabungen im Süden von Sendenhorst entdeckte das Team einer archäologischen Fachfirma zahlreiche Siedlungsspuren des Hochmittelalters (12./13. Jahrhundert). Dazu gehören diverse Gräben und Pfostenlöcher. Die Gräben werden als Parzellengrenze sowie auch zu Drainagezwecken gedient haben. »Dass sich solche Siedlungsspuren aus dem Hochmittelalter bis heute in dieser Zahl und in einem über Jahrhunderte dicht bebauten Altstadtkern erhalten haben, ist bemerkenswert« hebt Grabungsleiter Dr. Ulrich Holtfester hervor.
»Seondonhurst« wird erstmals schriftlich um das Jahr 900 in einem Besitz- und Einkünfteverzeichnis des Klosters Werden erwähnt. Damals bestand es aus nicht viel mehr als einer Gruppe von Höfen im Bereich der heutigen Kernstadt. Daraus entwickelte sich bis zum 12. Jahrhundert das Kirchdorf Sendenhorst, das erstmals im Jahr 1175 eine urkundliche Erwähnung erfuhr. Bei Ausgrabungen in der Wüstung »Großer Hof« am östlichen Ortsrand wurde schon vor fast 20 Jahren ein Kleinadelshof aus dem 11./12.Jahrhundert entdeckt.
Dabei kamen außerordentliche Funde ans Tageslicht, unter anderem Schachfiguren und Spielsteine, die von der adeligen Lebensweise der einstigen Bewohner zeugen. Aktuell werden sie gemeinsam mit anderen hochkarätigen Funden des Hochmittelalters aus Westfalen, Deutschland und ganz Europa in der Ausstellung »Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft« im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster präsentiert.
Bauboom im Spätmittelalter
Im Spätmittelalter verdichtete sich ab dem 14. Jahrhundert die Bebauung nachhaltig, wie die aktuellen Ausgrabungen zeigen. Auf eine erhöhte Siedlungsdichte weisen auch zahlreiche Brunnenfunde hin. Sie wurden besonders häufig nahe dem Straßenzug »Südgraben« entdeckt. Im Spätmittelalter befand sich dieses Areal in unmittelbarer Nähe der Stadtbefestigung, deren Überreste bis heute unter- und obertägig erhalten sind.
In dieser Zeit befanden sich die Brunnen häufig auf der Rückseite der Grundstücke. Die große Menge der in diesem Jahr ausgegrabenen Brunnen spricht für eine kontinuierliche Nutzung des Areals über eine lange Zeit hinweg.
Zwei unmittelbar benachbarte Brunnen folgten offenbar zeitlich direkt aufeinander. Während von einem kaum mehr als der einstige hölzerne Unterbau erhalten blieb, verfügt der benachbarte über einen aufwändigen Steinkranz. Vielleicht wurde der erste Brunnen nach langjähriger Nutzung aufgegeben, rückgebaut und das hölzerne Material für den Nachfolger recycelt. Dank guter Holzerhaltung können die Fachleute durch dendrochronologische Untersuchungen (Jahrringmethode) bestimmen, in welchem Jahr die Bäume für die Brunnenkästen gefällt wurden.
Ein gänzlich anderer Brunnentyp zeigte sich an der südlichen Grabungsgrenze. Hier fand das Ausgrabungsteam einen Brunnen, dessen Unterkonstruktion aus einem hölzernen Fass bestand. Keramikfunde belegen, dass es im 14. Jahrhundert verbaut wurde. Der Fassboden wurde an mehreren Stellen systematisch angebohrt, damit das Brunnenwasser beim Nachlaufen bereits grob gefiltert wurde. Ein Steinkranz auf dem Fass setzte die Brunnenröhre nach oben hin fort.
Ein Pilgerhorn vertont Geschichte
In den Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit (14.-16. Jahrhundert) datiert ein sogenanntes »Aachorn«. »Es handelt sich um ein tönernes, von Pilgern benutztes Blashorn, welches unter anderem im Zusammenhang mit Wallfahrten nach Aachen zum Einsatz kam«, berichtet Dr. Andreas Wunschel von der LWL-Archäologie für Westfalen.
»Die Pilger bliesen die Hörner bei Zurschaustellung von Reliquien mit ohrenbetäubendem Lärm. Häufig wurden sie in die Heimat mitgebracht und dort auch weiterverwendet. So fanden Aachhörner beispielsweise auch als Hilfsmittel zum Vertreiben von Unwettern Verwendung«, so Wunschel.
Glaserhandwerkskunst aus Sendenhorst
Hinweise auf das 17./18. Jahrhundert gibt ein in Westfalen-Lippe nur selten archäologisch fassbarer Befund - die Abfallgrube einer Glaserwerkstatt. Unzählige Glasfragmente geben verschiedene Hinweise auf die örtliche Glasverarbeitung. So finden sich an zahlreichen Stücken Abschneidespuren mit einem sogenannten Kröseleisen. Außer grünen kommen auch hochwertige blau gefärbte und sogar nachträglich bemalte Gläser vor. Mittels der ebenfalls in der Abfallgrube aufgefundenen »Bleiruten« - bleierne Fassungen für einzelne Glasstücke - konnten aus dem bunten Glas prächtige Fenstergläser hergestellt werden. Einer hohen Nachfrage erfreuten sich die teuren Meisterstücke bei der Ausgestaltung von Kirchen oder für Fenster wohlhabender Bürger. Die große Menge an aufgefunden Fensterglasresten ermöglicht einen Einblick in die einheimische Glaskunst und die damaligen Motive der Fenstergläser.
Weiterführende Recherchen in den Archiven, und naturwissenschaftliche Analysen sollen weitere Fragen klären: Woher kam das Glas und wo befanden sich die Glashütten, in den denen das eigentliche Rohglas hergestellt wurde?
»Die aktuellen Untersuchungen zeigen ausschnitthaft, aber dennoch eindrücklich die großen Potentiale der nach wie vor andauernden archäologischen Untersuchungen in der Altstadt« sagt sich Karin Schneidereit von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Sendenhorst. »Die bodendenkmalpflegerische Arbeit wird weiterhin ihren Teil dazu beitragen, die Stadtgeschichte von Sendenhorst durch bislang unbekannte Details zu bereichern.«
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