Ausgrabung in Endingen am Kaiserstuhl
Im Vorfeld einer geplanten Wohnbebauung hatte der Investor, die MB Immobiliengruppe, die Grabungen beauftragt. Die Fläche der ersten zwei Bauabschnitte von zusammen rund 5.200 Quadratmetern muss fachgerecht untersucht werden, da sich unter den ehemaligen Hallen und versiegelten Außenflächen eines bis 2021 an dieser Stelle angesiedelten Betriebes Befunde aus der Ur- und Frühgeschichte erhalten haben. Der dritte und letzte Bauabschnitt wird in gleicher Weise zu einem späteren Zeitpunkt betroffen sein.
Gleich zu Beginn der archäologischen Maßnahme kamen in der Südostecke des Geländes über vierzig gleichmäßig verteilte dunkle Verfärbungen zutage, die eindeutig von Stellungen der Pfosten eines großen Gebäudes herrühren. Sie lassen den nordwestlichen Teil eines rund sieben Meter breiten und weit über 20 Meter langen Hausgrundrisses der sogenannten Linearbandkeramikkultur (zirka 5500 bis 4900 vor Christus) erkennen. Derartige Langhäuser in der typischen Nordwest-Südost-Ausrichtung waren fünf bis acht Meter breite und bis zu 45 Meter lange Ständerbauten, die nur in Gemeinschaftsarbeit errichtet werden konnten. Bei diesen Häusern der frühesten Ackerbauern lässt sich ein relativ einheitliches Konstruktionsprinzip über weite Teile Europas nachweisen. Aus Lössentnahmegruben in unmittelbarer Nähe der Pfostenstellungen konnten die Archäologinnen und Archäologen Tonscherben bergen, die die typische lineare Verzierung tragen und der Periode der mittleren Linearbandkeramik (um 5300 bis 5200 vor Christus) zugeordnet werden können.
Auf dem noch zu untersuchenden Gelände werden weitere Kulturdenkmale der Jungsteinzeit erwartet. Nördlich des linearbandkeramischen Langhauses zeichnet sich bereits ein weiterer Hausgrundriss ab, der vermutlich einer anderen Epoche zugehört. Zwei große und anscheinend relativ tiefe Gruben, die möglicherweise zur Wasserentnahme angelegt wurden, haben noch keine relevanten Funde für ihre Datierung geliefert, die Grabungsarbeiten sind jedoch noch nicht abgeschlossen.
Feststeht, dass im Bereich der Wöllinger Straße auch während der späten Bronzezeit eine Siedlung bestand. Aus einer Grube, die ursprünglich zur Vorratsspeicherung angelegt wurde und danach als Abfallgrube diente, wurden unter anderem ein Spinnwirtel und Fragmente eines großen Tongefäßes der sogenannten Urnenfelderkultur (um 1200 bis 800 vor Christus) geborgen. Eine Scherbe dieser Zeitstellung fand sich auch in dem südwest-nordost verlaufenden Gräbchen einer Einfriedung (Zaun), innerhalb derer sich die genannte Vorratsgrube befindet. Alle anderen Befunde, die in diesem abgegrenzten Bereich liegen – darunter die zwei vermuteten Brunnen – müssen anhand des zu erwartenden Fundmaterials erst noch datiert werden, bevor ein Bezug zu dieser spätbronzezeitlichen Einfriedung zu bejahen oder zu verneinen ist.
Ob in der Wöllinger Straße eventuell auch die Eisen- und vielleicht sogar die Römerzeit vertreten sind, wird sich im weiteren Verlauf der Ausgrabung herausstellen.
Das LAD, vertreten durch Dr. Gertrud Kuhnle und Diethard Tschocke, lobte die außerordentlich konstruktive Zusammenarbeit zwischen der MB Immobiliengruppe und den Archäologinnen und Archäologen der beauftragten Grabungsfirma, die die Befunde und Funde fachgerecht dokumentieren und bergen, wodurch die Kulturdenkmale in Form der sekundären Erhaltung im Archiv (ex situ) künftigen Generationen bewahrt bleiben.
Die Grabungen werden voraussichtlich noch bis Ende Oktober fortgeführt.
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