Auf den Spuren der ersten römischen Siedler in Hessen
Bereits bekannt war die benachbarte Existenz eines römischen Militärlagers der Wissenschaft, doch konnten die Studierenden nun mehr darüber herausfinden, wer genau vor rund 2000 Jahren an den Grenzen zum Hessischen Ried siedelte. Hier, in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Alt-Neckararm im Westen des heutigen Nauheims, fanden um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. die Toten neu zugezogener Siedler ihre letzte Ruhe. Über die Jahrtausende geriet diese Ruhe durch die schleichende Zerstörung durch landwirtschaftliche Nutzung und die damit verbundene Verschlechterung der Bodenverhältnisse zunehmend in Gefahr. Um das Wissen über die römische Vergangenheit nicht zu verlieren, bargen die Studierenden des Studienganges Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen unter der Leitung von Prof. Dr. Markus Scholz und Dr. des. Thomas Becker von der hessenARCHÄOLOGIE die Gräber. Neben interessanten Funden begeisterten die Studierenden vor allem die spannenden neuen Erkenntnisse zu frühen Einwanderungen im Kreis Groß-Gerau.
Über den Rhein hinaus
Im ersten Jahrhundert n. Chr. griffen die Römer von Mainz aus über den Rhein hinaus und sichern das rheinrheinische Gebiet durch Militärlager. In dieser Zeit schien die Region noch dünn besiedelt zu sein. Archäologische Hinweise auf eine einheimisch-keltische Bevölkerung gibt es kaum. Gleichzeitig steuerten die Römer wohl den Zuzug von Germanen aus Norddeutschland, die sich archäologisch aufgrund ihrer typischen Keramik und anderen Alltagsgegenstände in der Region nachweisen lassen. Durch die Römer entwickelte sich auch die regionale Infrastruktur; sie bauten Straßen und trieben die Schiffbarmachung von Gewässern voran, um ihre Waren durch die neu erschlossenen Gebiete zu transportieren. Ab der Mitte des Jahrhunderts entstand so zunehmende auch eine ländliche Besiedlung, zu der auch das untersuchte Gräberfeld gehörte.
Ein facettenreiches Gräberfeld
Insgesamt konnten bei Nauheim auf gut 2000 m² 46 Gräber untersucht werden, bei denen es sich mit zwei Ausnahmen um Brandbestattungen handelt. Hinzu kommen sechs rechteckige Grabensysteme, die als Einfassung spezieller Bestattungen anzusehen sind und alle nach bisherigem Kenntnisstand in die Gründungsphase des Gräberfeldes gehören. Zudem konnte das Fundament eines einst viele Meter hohen Grabmals nachgewiesen werden, das aber im steinarmen Südhessen im Mittelalter vollständig abgebaut und bis in die Fundamentsohle seiner Steine beraubt wurde. Das Gräberfeld lässt sich bis zum Beginn des 3. Jahrhunderts belegen. Über 150 Jahre nutzen die Bewohnerinnen und Bewohner eines benachbarten Gutshofs den Platz als Bestattungsort. Zum Teil finden sich Beigaben wie eine komplette Urne aus Glas, die von einem gewissen Wohlstand der Bestatteten zeugen.
Wir haben hier einerseits ein qualitätvolles Beigabenspektrum, andererseits auch Gräber, die uns in jedem Gräberfeld der weiteren Region nicht erstaunen würden. Die soziale Schichtung dieser Gruppe wird sicherlich etwas sein, das wir bei der weiteren Auswertung betrachten können.
Dr. des. Thomas Becker Bezirksarchäologe
Besonders eine kuriose Form der Bestattung stach dabei heraus: ein früher Nauheimer »im Eimer«. Die Beisetzung einer Person in einem Eimer aus Bronze und die Mitgabe von Werkzeug wie Scheren oder Messer ist für römische Bestattungen untypisch. Auch gelingt hier für Südhessen erstmals der Nachweis der genannten Grabeinfassungen, während die Sitte links des Rheins im Osten Galliens in der ausgehenden Eisenzeit (1. Jahrhundert v. Chr.) und dem 1. Jahrhundert n. Chr. weiträumig verbreitet ist. Solche ungewöhnlichen Bestattungen sind für die Wissenschaft klare Anzeichen dafür, dass hier eingewanderte Personen bestattet wurden, die nicht nur ihre Kultur, sondern auch ihre Bestattungsriten mitbrachten.
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