Archäologischer Fund entpuppt sich als Gesichtsmaske eines Reiters der Bataver
In Krefeld wird das Objekt aus der Römerzeit derzeit restauriert
Der Blick durch die beiden Augenschlitze der silbrigen Eisenmaske eröffnet ein nur recht beschränktes Blickfeld. Um zu sehen, was sich unten und oben, links und rechts befindet, muss der Kopf samt Helm gedreht werden. Welcher Mensch steckte wohl hinter dieser Maske? An einem Herbsttag des Jahres 69 sitzt er auf seinem Pferd und wartet auf den Angriffsbefehl. Zerrissen von inneren Unruhen um die Kaiserwürde, nutzen Völker an den Grenzen des Römischen Reichs die Situation für Aufstände. Dann stürmen die Fußsoldaten und Reiter der Bataver los. Der Angriff kommt für die in Gelduba (heute Krefeld-Gellep) lagernden 12.000 Römer völlig überraschend. »Die Folge war keine Schlacht, sondern ein Schlachten«, schildert der römische Historiker Tacitus (58 bis 120) in seinen »Historien«. Die Luft ist erfüllt vom Geschrei, Pferde wiehern, Klingen von Schwertern scheppern aneinander. Ob der Reiter der Bataver diese Schlacht überlebt hat?
Ein Überraschungs-Ei
Wer heute auf den landwirtschaftlichen Wegen in Krefeld-Gellep Richtung Rhein wandert, ahnt und sieht nichts mehr von diesem brutalen Kampf. Die Geschichte der Bataverschlacht, späterer Kastelle und Siedlungen der Römer steckt im Boden. Vor vier Jahren beendeten dort Krefelds Stadtarchäologe Dr. Hans Peter Schletter und sein Team eine große Grabungskampagne. Tausende Funde wurden gesichert, dokumentiert und für die Auswertung ins Archäologische Museum Krefeld, ein Haus des Museums Burg Linn, gebracht. »Am Beginn war da nur dieser Rostklumpen«, erinnert sich Schletter. Die stark korrodierte Metallplatte hätte alles Mögliche sein können. »Solche Eisenobjekte sind wie ein Überraschungs-Ei«, betont Dr. Boris Burandt, Leiter des Museums Burg Linn. Dass sich darin eine kleine Sensation befinden würde, damit konnte keiner rechnen. »Wir haben einen Teil einer Gesichtsmaske gefunden, die wir den Batavern zuordnen können«, sagt Burandt.
Dazu diente die Gesichtsmaske
Bei der Schlacht vor 2.000 Jahren kämpften römische Kameraden gegeneinander. Denn aus dem gut 40.000 Menschen zählenden germanischen Stamm der Bataver standen etwa 5.500 in römischen Militärdienst. »Das ist ein Kriegervolk gewesen. Der Dienst in der römischen Armee bildete deren Identität«, betont Schletter. Die gut ausgebildete und ausgerüstete Eliteeinheit bestand hauptsächlich aus Infanterie (Fußsoldaten), aber auch einer Kavallerie (Reitern), die jene Gesichtsmasken trugen. Diese war an einem Eisenhelm befestigt, der mit Pferdehaar bedeckt menschliches Haar imitieren sollte - alles zusammen eine luxuriöse Maßanfertigung. Der Typ von Gesichtsmaske (Nimwegen-Kops Plateau) wurde nur im ersten Jahrhundert hergestellt. Es sind bislang nur 15 vergleichbare Masken davon entdeckt worden. Die meisten in dem Gebiet der Bataver in den heutigen Niederlanden zwischen Maas und Rhein. »Deswegen handelt es sich um einen klaren Hinweis auf die Kavallerie der Bataver«, so Burandt. Die silbrige Gesichtsmaske mag wohl auch eine Schutzfunktion im Kampf Mann gegen Mann besessen haben, doch diente sie wohl mehr der psychologischen Abschreckung. »Der Krieger wirkt stark und beeindruckend auf seinen Gegner«, sagt Burandt.
Mit Natronlauge wurde die Maske sechs Monate gereinigt
Aus einem Schrank der museumseigenen Restaurierungswerkstatt holt Eileen Wolff einen weißen Behälter mit einer braunen Flüssigkeit heraus. »Mit der Natronlauge wird dem Eisen das Salz entzogen«, erklärt die Restauratorin. Ohne diese Behandlung zerstört das Salz langfristig das Stück. Gut sechs Monate muss das Maskenfragment in der Lauge liegen, die drei- bis vier Mal ausgewechselt wird. Geschützt mit Kunststoff-Handschuhen nimmt Wolff das Objekt aus der Flüssigkeit. »Wir lassen Eisenobjekte röntgen«, berichtet sie dabei. Dann könne man trotz Korrosion schon besser sehen, worum es sich handelt. So verhielt es sich auch mit der Gesichtsmaske. Die Vermutung aufgrund der Röntgenbilder, dass da etwas Besonders drunter steckt, bestätigte sich nach einer ersten Freilegungen mit einem Sandstrahl. Danach ließen sich der Augenschlitz sowie ein Ohr gut erkennen, eine Niete zur Befestigung an den Helm erahnen. »Das sieht man zurzeit klar nur auf den Röntgenbildern«, sagt Wolff. Wenn das Fragment nach seinem Natronbad weiter restauriert werden kann, wird sie diese Stellen besser herausarbeiten können. Und wenn die Maske restauriert ist, wird sie in der Dauerausstellung im Archäologischen Museum Krefeld zu sehen sein.
»Ein absoluter Glücksfall«
Stück für Stück beweisen Objekte wie die Gesichtsmaske und der Fundort in Krefeld-Gellep die schriftlich überlieferte Schilderung der Bataverschlacht von Tacitus - ein absolut seltener Glücksfall für Archäologen und Historiker. Der Elitetruppe der Bataver gelang es übrigens beinahe, die Römer an diesem Tag in Gelduba zu besiegen. Die römischen Soldaten mussten sich schon fast geschlagen geben, als ihnen im letzten Augenblick eigene, nachrückende Truppen zur Hilfe eilten und sie die Schlacht trotz hoher Verluste gewannen. Ob der batavische Reiter seine Maske im Kampf verloren hat, getötet wurde oder fliehen konnte, diese Frage lässt sich nicht beantworten. Nach der Bataverschlacht begann dann die fast unterbrochene Präsenz der Römer in Gelduba bis zum Ende des Römischen Reichs im fünften Jahrhundert. Das Areal am Rhein erwies sich als strategisch günstig. Viele unterschiedliche Kastelle bauten die Römer dort über die Jahrhunderte. Dieses heutige Bodendenkmal wurde 2021 als Unesco-Welterbe mit anderen Fundorten am Niedergermanischen Limes anerkannt.
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