Antikenhandel und Terrorismus - Konsequenzen für den Kulturgutschutz
Die weltweite Vermarktung von geplündertem Kulturgut ist ein Milliardengeschäft. Nach Einschätzung der deutschen Bundesregierung handelt es sich um die drittgrößte illegale Erwerbsquelle, nach Rauschgift- und Waffenhandel. Andere Schätzungen sehen den Antikenhandel bereits an zweiter Stelle, nur noch übertroffen vom Rauschgifthandel. Neueste Meldungen, dass der »Islamische Staat«, der sich offenbar zu erheblichen Teilen aus der Vermarktung von geplünderten Antiken finanziert, ein eigenes »Antiken-Ministerium« eingerichtet hat, mit dem er die kommerzielle Ausbeutung archäologischer Stätten organisiert, verdeutlichen die Dringlichkeit, mit der die Staatengemeinschaft nun endlich Maßnahmen zum Schutz des kulturellen Erbes der Menschheit ergreifen muss. Eckhard Laufer, Kriminalhauptkommissar und Koordinator Kulturgüterschutz beim Hessischen Landeskriminalamt sieht die Notwendigkeit für bessere Schulungen von Ermittlungsbehörden, denn dort bestehe ein mangelndes Bewusstsein für die Problematik. Er verwies jedoch zugleich auf die Bemühungen, sich untereinander zu vernetzen, wie zuletzt durch eine Europol-Initiative im November.
Michelle Müntefering, Mitglied des deutschen Bundestags, erwähnte, dass im Koalitionsvertrag vereinbart sein, dass vor allem auch die Terrorfinanzierung durch die Vermarktung geplünderter Antiken unterbunden werden müsse. Dafür müsse jedoch ein besseres Gesetz her. Denn 2008 sei ein zunächst schärfer formulierter Gesetzesentwurf durch das Listenprinzip verwässert worden. Diesmal müsse die Umsetzung der von der UNESCO geforderten Bestimmungen gelingen. In Sachen Pelz- und Elfenbeinhandel sei die Öffentlichkeit sensibilisiert. »Das müssen wir auch für den Handel mit illegalen Antiken schaffen«, sagte Müntefering zur Novellierung des Kulturgüterschutzgesetzes.
Nancy Moses, ehemalige Direktorin des History Museum Philadelphia und Buchautorin von »Stolen, Smuggled, Sold: On the Hunt for Cultural Treasures« befasste sich die letzten Jahre mit der Problematik von Antiken zweifelhafter Herkunft – auch aus Sicht von Museen. Moses appellierte an Antikenhändler und private Sammler, keine Antiken ohne lückenlosen Herkunftsnachweis zu kaufen. Denn während viele Museen mittlerweile nicht mehr bereit seien, solche Objekte zu erstehen, verschwänden viele archäologische Stücke, ihres Fundkontextes und damit ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt, in privatem Besitz, wo sie Wohnungen oder Büros schmücken oder als Vermögensanlage dienen.
Auf die Frage des Moderators Daniel Gerlach, Chefredakteur des Magazins zenith, ob die in den Medien gezeigten drastischen Bilder geplünderter archäologischer Stätten denn nicht jedem die Auswirkungen des illegalen Antikenhandels vor Augen führten, entgegnete Amir Musawy, Büroleiter des Senders Iraqia-TV, Berlin, resigniert: »nein, das bezweifele ich«. Er habe 2003 erlebt, wie sich die Welt erschrocken und betroffen zeigte, als das Museum in Bagdad geplündert wurde. Diese Katastrophe sei inzwischen aber längst wieder in Vergessenheit geraten. Er erhofft sich nun ab doch das längst überfällige Umdenken.
Dr. Michael Müller-Karpe, Archäologe am RGZM, mahnte, dass Antiken mit dem Hinweis ‚Herkunft unbekannt‘ in aller Regel aus krimineller Quelle stammen. Ein Antiken-Markt, der keine unangenehmen Fragen stellt, zerstöre nicht nur archäologische Stätten. Er fülle auch seit Jahrzehnten die Kassen von Kriegsparteien, die die Plünderungen in Krisengebieten durchführen. Mit der Beteiligung von Terrororganisationen wie al-Qaida und »Islamischer Staat«, an diesem Markt sei eine neue Stufe der Gefährdung unseres archäologischen Erbes erreicht. Wie Müntefering und auch Laufer sieht Müller-Karpe große Chancen in der vorgesehenen Gesetzesnovellierung – sofern die Bundesregierung tatsächlich, wie angekündigt, auf dem Nachweis einer legalen Herkunft der vermarkteten Antiken bestehen wird. Der Gegenwind werde gewaltig sein, »denn«, so Müller-Karpe, »für den Antikenhandel geht es um die Existenz«.
Ali Al-Bayati, Generalkonsul der Republik Irak, der für ein Grußwort aus Frankfurt angereist war, brachte es auf den Punkt: »We must all work together to defeat this evil terrorist Organisation to protect our heritage, the world heritage« (Wir müssen alle zusammenarbeiten, um diese bösartige terroristische Organisation zu bekämpfen und unser Erbe – das Welterbe – zu beschützen).
Über die Veranstaltung wurde unter dem Hashtag #kriminarchRGZM getwittert und sie wurde per Video aufgezeichnet.
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