Antike Glasperlen liefern Hinweise auf Handwerk und Handelsrouten zur Zeit der Römer
Insgesamt standen 42 Glasperlen, 38 aus der frühen Kaiserzeit (30 bis 60 n.Chr.) und vier spätrömische Perlen (4. Jahrhundert n.Chr.) von vier verschiedenen Fundorten für die Analyse zur Verfügung. »Wir können eindeutig zeigen, dass sämtliche Glasperlen der vier Fundorte aus Natronglas bestehen«, teilt Barbara Karches vom Institut für Kernchemie mit. Die Verwendung von Natrium bei der Glasherstellung weist darauf hin, dass das Rohglas in der Nähe von Natronseen produziert wurde und nicht im Binnenland. Die Untersuchungen liefern auch für Historiker wichtige Hinweise auf Handwerk und Technik, Handelsrouten und die Lebensweise der Menschen zu jener Zeit.
Der größte Teil der untersuchten Glasperlen stammt von Ausgrabungen in der Nähe von Oberammergau. Bei der Fundstätte handelte es sich um einen Opferplatz der dort siedelnden Räter. Die Glasperlen, die der Bevölkerung als Schmuck dienten, zeigen Brandspuren eines Opferfeuers. Andere Fundgegenstände wurden anscheinend absichtlich nach bestimmten Mustern abgelegt. »Die Analyse dieser Perlen war für uns besonders interessant, weil die Funde des Opferplatzes erstmals eindeutig belegen, dass diese Region im 1. Jahrhundert. v. Chr. besiedelt war«, erklärt Christian Stieghorst, Mitbetreuer der Untersuchung. Mithilfe der Neutronenaktivierungsanalyse (NAA) konnte die Elementzusammensetzung der Perlen aus Oberammergau und den anderen Fundorten bei Heimstätten, Auerberg und Neubiberg genau bestimmt werden. Dazu wurden die Proben am Forschungsreaktor TRIGA in Mainz bestrahlt. Durch den Beschuss mit Neutronen gehen die Atomkerne des Untersuchungsmaterials zunächst in einen instabilen Zustand über und senden dann, bei der Rückkehr in den Grundzustand, charakteristische Gammastrahlung aus, die für jedes Element einzigartig ist und detektiert werden kann. »Der TRIGA als Bestrahlungseinrichtung bietet ideale Voraussetzungen, um völlig zerstörungsfrei einen chemischen Fingerabdruck der Proben zu erhalten«, erläutert Dr. Gabriele Hampel, Betriebsleiterin des Forschungsreaktors.
Die Analysen ergaben, dass alle Perlen aus Natronglas mit einem Natriumoxid-Gehalt von bis zu 20 Prozent bestehen und daher zumindest der Rohstoff Natrium, eventuell sogar das fertige Rohglas, aus der Nähe eines Natronsees wie dem Wadi Natrun in Ägypten stammen muss. In der Antike konnte eine Schmelztemperatur von 1.800 Grad Celsius für reinen Sand noch nicht erreicht werden. Daher musste ein Flussmittel zum Absenken der Schmelztemperatur zugesetzt werden, meist Pflanzenasche oder natürliches Soda. Pflanzenasche war in allen Regionen frei zugänglich und wurde je nach Lage der Glaswerkstätten eingesetzt. Pflanzenasche aus Meeres- oder Uferpflanzen enthalten durch den salzhaltigen Boden mehr Natrium, während im Binnenland der Kaliumgehalt der Pflanzen überwiegt. Da die Gewinnung von Natrium aus Pflanzenasche sehr aufwendig ist, wurde für Natronglas häufiger natürliches Soda aus Ägypten verwendet.
Einige Perlen fallen durch ihre besondere Farbigkeit auf. Sie waren mit Kobalt blau bis opak schwarz gefärbt, Kupfer ergab eine grüne Färbung, Mangan verhalf zu einer violetten Farbe oder aber zu einer Entfärbung von durch Eisen gelblich gefärbtem Glas. Die braune Färbung einer Perle erzielten die antiken Hersteller mithilfe von Eisenoxid.
»Ein überraschendes Ergebnis war für uns der ungewöhnlich hohe Silbergehalt in den Oberammergauer Glasperlen und besonders seine auffällige Verteilung«, erklärt Karches. Bei diesen Perlen handelte es sich um Überfangperlen, die in einem zweistufigen Verarbeitungsprozess hergestellt wurden. Dabei wurde zuerst ein Glasinnenkern mit einer dünnen Silberschicht und anschließend mit einer weiteren Glasschicht überzogen. Das Silber für die Überfangperlen verwendet wurde, war eine neue Erkenntnis und ein wichtiges Ergebnis der Analysen am TRIGA Mainz.
Das Projekt zur Untersuchung frühkaiserzeitlicher Glasperlen auf ihre Elementzusammensetzung mittels NAA wurde von Univ.-Prof. Dr. Tobias Reich am Institut für Kernchemie und von Dr. Werner Zanier von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreut.
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