Altbabylonisches Siegel in Ägypten gefunden
Im 17. Jahrhundert v. Chr. geriet Ägypten in die Abhängigkeit einer fremden Dynastie aus Vorderasien: Die Hyksos brachten vom nordöstlichen Nildelta aus ganz Ägypten in ihre Abhängigkeit. Die Hauptstadt dieser Fremddynastie wurde von Manfred Bietak, Ägyptologe an der Universität Wien, bereits 1966 entdeckt. 2005 fanden Bietak und sein Team schließlich einen ausgedehnten Palastbezirk der Hyksos-Zeit. Bei ihrer gerade beendeten Herbstgrabung stießen sie nun auf ein Siegel aus der altbabylonischen Zeit.
Bisher ist nicht viel über Herkunft, Kultur- und Ereignisgeschichte der Hyksos in Ägypten bekannt. Sie regierten zwischen 1640 und 1530 v. Chr. von ihrer Hauptstadt Auaris im östlichen Nildelta aus Ägypten, bis die Pharaonen der 17./18. Dynastie die Hyksos besiegten und die Hauptstadt eroberten. Univ.-Prof. Dr. Dr. hc. Manfred Bietak, Vorstand des Instituts für Ägyptologie der Universität Wien, arbeitet gemeinsam mit Dr. Irene Forstner-Müller, der neu ernannten Leiterin des Österreichischen Archäologischen Instituts in Kairo, und einem großen Team seit 2005 an der Freilegung dieses vorderasiatischen Palastes des Hyksos Chian auf einem Ruinenhügel namens Tell el-Dab'a im Nordosten Ägyptens.
Bei den diesjährigen Untersuchungen konnte ein weitreichendes Areal der ca. 10.000 Quadratmeter großen Palastanlage freigelegt werden. Zur Überraschung der ForscherInnen entspricht der Palast nicht dem Plan eines ägyptischen Palastes, sondern reiht sich architektonisch unter die Königspaläste aus Syrien ein - dem Ursprungsland der Hyksos.
Bereits im Frühjahr fanden die WissenschafterInnen in der Füllung des Palastbrunnens der mittleren bis späten Hyksoszeit das Fragment einer babylonischen Keilschrifttafel aus den letzten Dezennien des Altbabylonischen Reiches (1600-1550 v. Chr.). "Es handelte sich dabei um das bisher älteste Keilschriftdokument in Ägypten und belegt die unerwartet weit reichenden diplomatischen Beziehungen der Dynastie der Hyksos", erklären Manfred Bietak und Irene Forstner-Müller.
Bei Grabungen im Oktober und November dieses Jahres kam nun ein weiteres interessantes Keilschriftdokument 500 Meter westlich des Palastes aus einer wesentlich späteren Grube in umgelagerter Situation zum Vorschein: Es handelt sich um ein Siegel, das in die altbabylonische Zeit datiert und einen hohen babylonischen Beamten, vermutlich aus der Zeit des Königs Hammurapi, nennt. Es ist denkbar, dass dieser Fund aus einem darunter befindlichen Tempelbezirk stammt, der mit dem Hyksospalast zeitgleich ist.
Die beiden Keilschriftdokumente sind eine unerwartete Quelle, die beweist, dass die Briefdiplomatie und der Geschenkaustausch zwischen den Höfen von Ägypten und Altbabylonien bereits 150 Jahre früher als bisher belegt datiert. "Es sieht derzeit so aus, als ob die Hyksos das Akkadische als diplomatische lingua franca und die Ferndiplomatie in Ägypten lange vor der Zeit des Neuen Reiches eingeführt haben", so die ÄgyptologInnen.
Im Frühjahr 2010 wird die Grabung im Palast fortgesetzt. "Wir hoffen auf weitere Funde und Befunde, die Licht auf diese - aus schriftlichen Dokumenten nur sehr schütter erschlossenen - Zeit werfen können", so die beiden Grabungsleiter abschließend.
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