Ägyptologen entdecken Hinweise auf Felsheiligtum in Athribis

Ein deutsch-ägyptisches Forschungsteam unter Leitung der Universität Tübingen hat bei Ausgrabungen in Athribis, nahe Sohag, einen ptolemäischen Tempel freigelegt. Reliefs, Inschriften und eine ungewöhnliche Kammer legen nahe, dass sich dahinter ein Felsheiligtum verbirgt.

Südtor des Pylons
Blick auf das Südtor des Pylons. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt

Verbirgt sich hinter den Ruinen von Athribis ein Felsheiligtum? Diese spannende Frage beschäftigt derzeit ein Team von Ägyptologen der Universität Tübingen und des ägyptischen Ministeriums für Tourismus und Altertümer. Bei Ausgrabungen in dem kleinen Dorf nahe Sohag, etwa 200 Kilometer nördlich von Luxor, stieß das Team auf den monumentalen Eingang eines Tempels aus der ptolemäischen Zeit (144–138 v. Chr.). Der sogenannte Pylon, flankiert von zwei Türmen, könnte den Zugang zu einem bislang verborgenen Heiligtum im Felsen markieren.

Monumentale Architektur mit Spuren der Zerstörung

Die ursprüngliche Tempelanlage war 51 Meter breit, und die Türme des Eingangs erreichten eine Höhe von 18 Metern. Doch nur fünf Meter der imposanten Bauwerke sind heute noch erhalten. Der Großteil fiel Steinräubern zum Opfer, wie eine gefundene Münze zeigt, die den Raubbau auf das Jahr 752 n. Chr. datiert.

Unter den noch unberührten Schuttbergen vermute man den Zugang zu einem Tempel im Felsen, sagen der Projektleiter Professor Christian Leitz und der Grabungsleiter Marcus Müller vom Institut für die Kulturen des Alten Orients (IANES) der Universität Tübingen.

Entdeckungen im Pylon

In den vergangenen Monaten konzentrierte sich das Team auf die Türme des Pylons und das Eingangstor. Dort entdeckte man Reliefs, die Ptolemaios VIII. als Bauherren identifizieren. Die Darstellungen zeigen den König, wie er der löwenköpfigen Göttin Repit und ihrem Sohn Kolanthes Opfer darbringt. 

Eine Überraschung fand sich im Nordturm des Pylons: Eine sechs Meter lange und drei Meter breite Kammer, die vermutlich als Lagerraum für Tempelgeräte diente. Später wurde sie zur Ablage für Amphoren genutzt. Der Zugang zu dieser Kammer ist mit aufwändigen Reliefs dekoriert, die unter anderem die Göttin Repit und den Fruchtbarkeitsgott Min zeigen. Besonders bemerkenswert sind zwei selten dargestellte Figuren, sogenannte Dekane, die für die Zeitmessung in der Nacht zuständig waren.

Einzigartig ist auch eine zweite Tür an der Pylonfassade, die zu einem Treppenhaus führt. Diese Konstruktion deutet darauf hin, dass das Obergeschoss des Pylons ursprünglich weitere Lagerräume beherbergte.

Weitere Grabungen geplant

Im November 2024 sollen die Arbeiten fortgesetzt werden, um mögliche Spuren eines Felsheiligtums hinter dem Pylon zu untersuchen. »Fein geglättete Kalksteinblöcke an einer senkrecht abgeschlagenen Felsfassade könnten zu einem Felsheiligtum gehören«, sagt Christian Leitz. Die mehr als vier Meter hohe Fundlage und Dekorationen, wie sie für den oberen Abschluss eines Tempels typisch sind ‒ beispielsweise ein Kobrafries ‒ deuten darauf hin, dass sich dahinter eine Tür finden könnte.

Das Grabungsprojekt in Athribis wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und ergänzt die bereits seit 2012 laufenden Untersuchungen in der Region.

Nordturm des Tempels mit neu entdeckter Kammer.
Der Nordturm des Tempels mit der neu entdeckten Kammer. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt
Berg mit vermutetem Heiligtum
Der Südturm des Pylons und der dahinter liegende Berg, in dem ein Heiligtum vermutet wird. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt
Darstellung eines Dekans
Eine sehr seltene Darstellung: Ein Dekan (Stern, der die Zeitmessung in der Nacht ermöglicht) mit Falkenkopf. Foto: Marcus Müller, Athribis-Projekt
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