2000-jährige Besiedlungsgeschichte mit florierendem Wirtschaftsstandort rekonstruiert

Ein internationales Forscherteam untersucht im Küstenort Kalba in den Vereinigten Arabischen Emiraten Hinterlassenschaften von Besiedlungen zwischen 2500 bis 600 v. Chr. Trotz nachweislich trockener werdendem Klima bestätigen bronze-und eisenzeitlichen Funde eine 2.000-jährige, nahezu kontinuierliche Besiedlungsdauer und bezeugen florierenden Handwerks- und Wirtschaftsstandort.

Dokumentation der Befunde auf der Ausgrabung
Die Dokumentation der Ausgrabung erfolgt durch Zeichnungen, GPS-gestützter Vermessung und Luftbildaufnahmen von Drohnen, wodurch eine 3D-Visualisierung der Befunde ermöglicht wird. Foto: C. Schwall / LEIZA

Ziel ist es, den Alltag der prähistorischen Gemeinschaften zu rekonstruieren sowie die Rohstoffbezugssysteme innerhalb des damaligen Handelsnetzwerks nachzuvollziehen. Um die bestehende Kooperation mit dem Emirat Schardscha zu vertiefen, sind gegenwärtig, im Beisein des österreichischen Botschafters in Abu Dhabi, die Direktorinnen des ÖAI und des LEIZA vor Ort.

Als Handelsknotenpunkt in der Golfregion agierte der Küstenort Kalba sehr erfolgreich innerhalb eines der ältesten nachgewiesenen Handelsnetzwerke, das vor 4.500 Jahren vom Indusgebiet bis in die Ägäis reichte.

»Der entscheidende Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort war vor allem die geographische Lage von Kalba. Hier muss es hervorragende Verbindungsrouten über See und Land gegeben haben. Wir vermuten auch einen Zugang aus der Wüste über die Berge, der Karawanen den Weg an die Küste ermöglichte. Dennoch waren wir verblüfft über die 2.000-jährige nahezu kontinuierliche Besiedlungsdauer des Fundorts, obwohl sich die Umweltbedingungen nach unseren Analysen durch ein immer trockener werdendes Klima deutlich verschlechterten«, erläutert Grabungsleiter Dr. Christoph Schwall, Experte für Vorgeschichte im LEIZA.

Den Erfolg für die lange erfolgreiche Besiedlung sehen die Forschenden neben den optimalen Handelsrouten und dem existenzsichernden Versorgungsnetzwerken, vor allem in uneingeschränktem Zugang zu Süßwasser. Dies bestätigen aktuelle archäobotanische Untersuchungen verschiedener pflanzlicher Überreste. Auffallend ist hier der hohe Anteil von nachgewiesenen Mangroven, deren Lebensraum im Bereich von Süß- bzw. Brackwasser zu verorten ist. Dies lässt die Forschenden auf einen Trinkwasserzugang im Umfeld des Fundortes schließen, welches das Überleben der Küstenbewohner sicherte.

Verarbeitete Halbedelsteine und qualitätvoller Hornstein: Ortung der Rohstoffquellen sind Fokus der Untersuchungen

Dass die prähistorischen Gesellschaften über breites Wissen und ein weitreichendes Netzwerk zum Bezug der lokalen Gesteinsressourcen verfügten, belegen Funde, wie Steinwerkzeuge aus qualitativ hochwertigem Hornstein. Geochemische Analysen konnten nachweisen, dass der Hornstein aus dem ca. 50 km entfernten Hadschar-Gebirge stammt. »Wir gehen der Frage nach, ob die Rohstoffe und Bodenschätze eine ähnliche Rolle im Handel – vergleichbar mit dem heutigen Öl – für die Region gespielt haben können. Deswegen analysieren wir Rohstoffquellen in den umliegenden Gebirgsketten und vergleichen es mit dem verarbeiteten Material in den archäologischen Artefakten. Um Gesteinsproben zu gewinnen, haben wir potenzielle Gebiete mit Hilfe von geologischen Karten identifiziert und durch Begehungen die Lagerstätten lokalisiert«, erklärt Grabungsleiter Christoph Schwall die Vorgehensweise.

Weitere Ergebnisse der geoarchäologischen Analysen bestätigen eine Bandbreite von unterschiedlichen silikatischen Gesteinsrohstoffen, wie Achat, Chalcedon und Karneol, die im Randbereich der Berge auf der südöstlichen Arabischen Halbinsel zu finden sind. Derzeit wird die Herkunft der Halbedelsteine von Schmuckfunden ermittelt.

Zukunftsperspektiven für gemeinsame wissenschaftliche Kooperation

Um zukünftige Perspektiven innerhalb der Zusammenarbeit mit dem Emirat Schardscha zu vertiefen, sind die Wissenschaftliche Direktorin des ÖAI, Prof. Dr. Barbara Horejs, sowie die Generaldirektorin des LEIZA , Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch, gegenwärtig vor Ort.
»Die Integration des LEIZA in unsere mehrjährige und erfolgreiche Kooperation mit dem Emirat Schardscha wird unsere gemeinsamen Ausgrabungen auf eine neue europäische Ebene heben. Die gesamte Region am Golf von Oman ist für unsere Kenntnisse weit vernetzter Handelswege und ihre soziokulturelle Rolle zwischen Asien und Europa lange unterschätzt und lässt uns noch viele neue Ergebnisse erwarten«, so Direktorin Prof. Dr. Barbara Horejs, die in Kalba gleichzeitig Co-Grabungsleiterin von Seiten des ÖAI ist. Generaldirektorin des LEIZA Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch ergänzt: »Die historischen Spuren von Handel, kulturellem Austausch und Wissenstransfer zu rekonstruieren, zählt zu den zentralen Forschungsgebieten des LEIZA. Wir freuen uns, mit dem Projekt in Kalba ein ganz neues, spannendes Kapitel in diesem Feld aufschlagen zu können und damit zugleich die wissenschaftliche Kooperation mit dem ÖAI und dem Emirat Schardscha und der Region am Golf von Oman zu vertiefen.«

Gruppenfoto
V. li. n. re.: Die Generaldirektorin des LEIZA Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch, der Österreichische Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten Dr. Etienne Berchtold und die wissenschaftliche Direktorin des ÖAI Prof. Dr. Barbara Horejs. Foto: C.Schwall / LEIZA
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