2. Mitteldeutscher Archäologiepreis verliehen
Der mit 5.000,- Euro dotierte Mitteldeutsche Archäologiepreis gehört zu den Förderinstrumenten der Stiftung zur Förderung der Archäologie in Sachsen-Anhalt, die im Jahr 2004 durch die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) errichtet wurde und seither die Archäologie Sachsen-Anhalts durch die Förderung wissenschaftlicher Qualifizierungsarbeiten sowie von Grabungs- und Forschungsprojekten in erheblicher Weise unterstützt. Zu erinnern ist hier etwa an die Ausgrabung eines kaiserzeitlichen Gräberfeldes im Tagebau Profen oder die Untersuchung des Schlachtfeldes von Lützen. »Die Stiftungsinitiative wurde möglich, weil die MIBRAG auf eine positive wirtschaftliche Entwicklung zurückblicken kann. Der Braunkohlenbergbau fördert nicht nur einen Bodenschatz zutage, sondern öffnet vorübergehend Zeitfenster der Erd- und Menschheitsgeschichte. Solange wir Bergleute verantwortungsbewusst und mit großer Sorgfalt Braunkohle fördern, können Wissenschaftler in die Geheimnisse unserer Entwicklungsgeschichte eindringen. Wir sind gern dabei, wenn es wieder etwas zu entdecken gibt!«, erläutert der Vorsitzende der Geschäftsführung der MIBRAG, Dr. Joachim Geisler, den Hintergrund dieses bedeutenden gesellschafts- und wissenschaftspolitischen Engagements des Unternehmens.
Auf Beschluss des Stiftungsbeirates ging der 2. Mitteldeutsche Archäologiepreis der Stiftung zur Förderung der Archäologie in Sachsen-Anhalt an die Diplombiologin Edith Schmidt, die die Auszeichnung in Form einer Urkunde aus den Händen des Kultusministers des Landes Sachsen-Anhalt Stephan Dorgerloh sowie des Vorsitzenden der Geschäftsführung MIBRAG Dr. Joachim Geisler entgegennahm. Die Laudatio hielt Dr. Frank D. Steinheimer, Leiter des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Mit der Preisverleihung werden insbesondere Edith Schmidts Verdienste um die Klärung der Bestattungsumstände der ottonischen Königin Editha gewürdigt, deren sterbliche Überreste im Dom zu Magdeburg geborgen wurden. »Mit der Preisverleihung an die Biologin Edith Schmidt wird deutlich, dass Archäologie mittlerweile zu einem interdisziplinären Forschungsgebiet geworden ist. Die Zusammenarbeit verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen hat sich vielfach bewährt und zu wichtigen Erkenntnissen geführt, so etwa bei der Erforschung der Himmelsscheibe von Nebra oder des Massengrabes von Lützen, aber eben auch bei den spektakulären Funden in und um den Magdeburger Dom«, sagte Kultusminister Stephan Dorgerloh in seinem Grußwort.
Auf der Grundlage »klassischer« entomologischer Untersuchungen (Entomologie = Insektenkunde), die in der artgenauen Bestimmung von rund 4.000 Käferflügeldecken, aber auch weiterer Insektenreste aus dem 2008 überraschend entdeckten Bleisarg und dem spätgotischen Steinsarkophag der Editha bestand, konnte Edith Schmidt aufgrund ihres fundierten Wissens zu Lebensweise, Verhalten und Habitaten der aufgefundenen Käferarten weitreichende Schlüsse ziehen. Diese erlauben es, das räumliche Umfeld, in dem Königin Editha im Winter 946 starb, aber auch Aspekte ihrer (Erst-) Bestattung, wie Kleidung und Beigaben, sowie die Umstände einer bisher unbekannten Aufbahrung der Gebeine der Königin anlässlich ihrer Umbettung 1510 zu rekonstruieren. Damit stellt ihr Aufsatz »Käferreste aus dem Sarg der Editha: Schädlinge aus der Grablege von 946 und Laufkäfer aus der Umbettung von 1510« eine richtungweisende Studie dar, die in einzigartiger, exemplarischer und äußerst anschaulicher Weise naturwissenschaftliche Untersuchungsmethode und kulturhistorische Auswertung miteinander vereint.
Neben der Würdigung dieser herausragenden Leistung soll mit der Verleihung des Mitteldeutschen Archäologiepreises auch eine Anerkennung der langjährigen wissenschaftlichen Tätigkeit Edith Schmidts ausgedrückt werden, die seit inzwischen 30 Jahren, in enger Zusammenarbeit mit Nachbardisziplinen wie der Botanik, der Verknüpfung naturwissenschaftlicher Methodik mit archäologischen Fragestellungen gewidmet ist. So besuchte sie bereits während ihres Studiums der Biologie in Freiburg auch Vorlesungen in ur- und frühgeschichtlicher Archäologie. Seit sie 1982 erstmals Insektenreste aus einer archäologisch untersuchten Feuchtbodensiedlung bestimmte, bearbeitet sie Insekten- bzw. Wirbellosenreste, besonders Käfer, aus archäologischen Ausgrabungen in ganz Deutschland, wobei die Bandbreite in zeitlicher Hinsicht von Brunnen der jungsteinzeitlichen linienbandkeramischen Kultur bis hin zu mittelalterlichen Bestattungen und Latrinen reicht. Die minutiöse Bestimmung der Insektenreste, insbesondere von synanthropen, d. h. im unmittelbaren Umfeld menschlicher Siedlungen lebender Käferarten, ermöglicht Aufschlüsse über Wirtschaftsweise, Vorratshaltung oder anthropogene Umwelt-veränderungen, die letztlich stets zu einer Rekonstruktion der (prä-) historischen Umwelt führen. Als international anerkannte Expertin auf ihrem Forschungsgebiet, das nur von wenigen Wissenschaftlern, vor allem im angelsächsischen Bereich bearbeitet wird, wurde Edith Schmidt schließlich zur interdisziplinär besetzten Forschergruppe des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) und weiterer Kooperationspartner zur Untersuchung der Bestattung der Königin Editha hinzugezogen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Käferreste aus dem Sarg der Editha verdeutlichen in einzigartiger und anschaulicher Weise das weitreichende Potential ihres wahrhaft interdisziplinären Forschungsansatzes.
Der preisgekrönte Aufsatz von Edith Schmidt erscheint in der von Harald Meller, Wolfgang Schenkluhn und Boje E. Hans Schmuhl als Sonderband 18 der Reihe »Archäologie in Sachsen-Anhalt« herausgegebenen Publikation »Aufgedeckt III. Forschungen zu Editha« (im Druck).
Video: Interview mit der Biologin Edith Schmidt aus dem Jahr 2011
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