Archäologie + Chemie = Archäochemie?

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ForschungNaturwissenschaften

Archäochemie ist mehr als die Durchführung chemischer Analysen an archäologischen Objekten. Sie will vielmehr archäologische Funde und Befunde, die irgendeinen chemisch-technologischen Aspekt zu haben scheinen, mit chemischem Allgemeinwissen und Kenntnissen aus Chemischer Verfahrenstechnik, Laboratoriumstechnik sowie Werkstoffkunde untersuchen und interpretieren. Ihre Arbeit ist also interdisziplinär. Chemiker und Archäologen kommen zusammen zu höherer Erkenntnis als die pure Addition ihrer Einzelkenntnisse ausmacht. Voraussetzung für den Erfolg ist neben dem allgemeinen Willen zu fairer Zusammenarbeit allerdings, dass sie die Fachsprache des Partners verstehen. Ein ernsthaftes Bemühen um die Grundlagen der jeweils anderen Disziplin ist unerlässlich. Besserwisserei und Wissenshochmut sind tödlich; sie führen zu vielen peinlichen Fehlern in der archäologischen Fachliteratur.

Die Wurzeln der Archäochemie liegen natürlich auf dem Gebiet der Analytischen Chemie. Die Erkenntnis, dass sie wesentliche Beiträge zum Verständnis archäologischer Funde leisten kann, ist keineswegs neu, sie geht vielmehr schon auf das Ende des 18. Jahrhunderts zurück. Im 18. Jahrhundert begann mit der Entdeckung der naturgesetzlichen Grundlagen die Entwicklung der quantitativen Analytischen Chemie, die sich von den anfänglichen, zeitaufwendigen nassanalytischen Methoden ausgehend mit atemberaubender Geschwindigkeit zu den heutigen physikalischen Verfahren unter Einbeziehung der modernen Computertechnik zu einer sich noch immer steigernden Höhe entwickelte. Die modernen, meist sehr schnellen Analysenverfahren sind mit ihren Stärken und Schwächen nur noch von Spezialisten zu überblicken. Nicht nur, dass allein sie das richtige Analysenverfahren auswählen können und die praktische Durchführung beherrschen, sondern auch, dass allein sie die in der Regel schön ausgedruckten Ergebnisse interpretieren können. Es gilt, Fehlermöglichkeiten, gegenseitige Störungen der chemischen Elemente oder Verbindungen, spezielle Unempfindlichkeiten zu kennen und zu berücksichtigen, Spektren zu interpretieren und alle Ergebnisse gegeneinander abzuwägen und auf Widersprüche hin zu untersuchen – Tätigkeiten, die kein Archäologe allein durchführen kann. Bei aller chemischen Sachkenntnis sind die Chemiker aber nicht in der Lage, die Ergebnisse im archäologisch erfassten Kontext zu interpretieren – dies ist die Aufgabe der Archäologen. Dies ist erst recht der Fall, wenn es um die Interpretation von Grabungsbefunden geht, die chemisch-technologischer Natur sind.

Diese Erkenntnisse führen direkt zur Forderung nach enger Zusammenarbeit von Chemikern und Archäologen oder – noch besser – zur Ausbildung von Chemikern, die auch Archäologen sind oder von Archäologen, die auch Chemiker sind. Für diese Gruppe von Wissenschaftlern wurde die Berufsbezeichnung „Archäochemiker“ eingeführt, eine Bezeichnung, die der Autor als etwas unglücklich, weil nicht aus sich heraus verständlich, empfindet. Sie hat sich jedoch - auch im internationalen Sprachgebrauch - eingebürgert, wird aber außerhalb des Fachgebietes nicht immer richtig verstanden.

Archäochemie ist das chemische Teilgebiet der Archäometrie. Diese umfasst alle Kombinationen zwischen Archäologie und Naturwissenschaften einschließlich der Ingenieurwissenschaften. Entsprechend dieser Definition sind weitere Felder der Archäometrie die Archäometallurgie, Montanarchäologie, Astroarchäologie, Anthropologie, Archäophysik, Archäomedizin, Archäobotanik, Archäozoologie, Industriearchäologie und andere.

Ein besonderes Arbeitsgebiet ist die Experimentelle Archäologie. Sie versucht archäologische Funde und Befunde aller Art wie Waffen, Textilien, Werkzeuge, Gefäße, Boote, Häuser, Tore, Befestigungen zu erklären, ihre Herstellung und Funktion zu verstehen. Repliken werden hergestellt, um damit zu arbeiten und so die alten Prozesse verständlich zu machen.

Es gibt keine scharfen Grenzen zwischen diesen Arbeitsgebieten, und nur eine enge Zusammenarbeit der beteiligten Wissenschaftler kann zu brauchbaren Ergebnissen führen.