Die friulanischen Burgen in der Zeit des Faschismus
Wegen der Gefahr einer erneuten Verknüpfung friulanischer Burgen mit politischen Motiven muss noch einmal auf den Umgang mit diesen vor und in der faschistischen Zeit eingegangen werden: Zweifellos mit einer stark deutsch geprägten Geschichte wurden die Burgen der Region bereits in deutschsprachigen Werken des ausgehenden 19. Jh. in einem nationalistisch geprägten Blickwinkel betrachtet. Immerhin entstand ein Überblick zu Bauformen und historischen Ereignissen. Er diente aber der Begründung des Anspruchs Österreichs auf die Region (CZOERNIG 1873, ZAHN 1883). Als staatlich vorgegebene nationale Aufgabe ähnelt diese Herangehensweise der Burgenforschung im wilhelminischen Deutschland (BILLER/GROßMANN 2002, 18).
Die von Kunsthistorikern, Historikern und klassischen Archäologen dominierte ital. Forschung betonte dagegen antik-römische Wurzeln im Sinne einer Kontinuität zwischen Römischem Reich und modernem Italien mit "Leitformen" wie den venetischen Villen. Dabei wurden aufklärerische Tendenzen der Renaissance und des Klassizismus mit Interesse am antiken "Erbe" analysiert und für einen Brückenschlag genutzt (CANFORA 1989). Dieser weder auf Italien noch Burgentypen beschränkten Tradition (vgl. HINZ 1981) und den grundsätzlichen Problemen Pipers (MEYER 1995, 645) ist selbst noch der "Miotti" verhaftet, ein Werk von lexikalischem Umfang und Wert (MIOTTI 1978, I-VII), welches die Burgen generell auf römische Ursprünge zurückführt und dabei viele Spektren der Mittelaltergeschichte ausblendet. Das für lokale Bauforscher und Archäologen unschätzbare Basiswerk eines ambitionierten, akribischen Laienforschers, verharrt in seinen Ansichten unbeabsichtigt bei den Interessen des ausgehenden 19. Jh., die sich im Vorfeld des ersten Weltkrieges etablierten und im faschistischen Italien verhärteten.
In der Zeit des Faschismus entgingen die mittelalterlichen Denkmäler Friauls weitestgehend größeren Eingriffen. Bis auf extreme Einzelfälle blieben die Burgen unangetastet - anders als etwa in Deutschland, wo Burginstandsetzung der Denkmalpflege des Dritten Reiches weite Betätigungsfelder gab (SCHECK 1995, 105) und sachgerechte Grabungen ebenfalls nur sporadisch stattfanden. Man konzentrierte sich auf den Rückbau des 19. Jh. und die Entkernung, um monumentale Räume für- Staats- und Parteizwecke zu erschließen (beispielsweise auf Erwitte bei Lippstadt (NS Schulungsburg), Beverungen (SA-Sportschule) oder die Wewelsburg (Bürener Land, Reichsführerschule SS)). Dafür gründete sich die SS-geführte, archäologisch aktive Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e.V. (siehe Wewelsburg und Haithabu).
Burgen und Ruinen wurden ebenfalls im öffentlich-städtischen Auftrag, unter NS-Einflussnahme, instandgesetzt [Kaiserburg (Nürnberg), Pfalz Kaiserslautern, Wildenburg (Amorbach/Odenwald), Trifels (Rheinpfalz), Marksburg ob Braubach u.a.]. In Hinsicht auf die "Schulungsburgen" wurde das Motiv der Verwertung mittelalterlicher Bausubstanz zur Darstellung von "… Symbole(n) deutscher Größe und deutscher Wehrhaftigkeit, deutschen Behauptungswillens" deutlich formuliert (HÜSER 1982, 19, Dok. Nr. 40, 198f). Dem war Substanz und Denkmalpflege in jeder Hinsicht untergeordnet. Es konnten, wenn nötig, gänzlich neue Burgen entstehen (Vogelsang/Eiffel) - oder sie wurden, wie im Fall der Grabungen im Areal der mittelalterlichen Befestigung an den Externsteinen, zu einer marginalen Randerscheinung, wenn unter den deutschen Symbolen germanische erhofft wurden (HALLE 2002).
Ein ähnlicher Ansatz wurde auch im faschistischen Italien verfolgt. Waren die überall vorausgesetzten antik-römischen Ursprünge wie in Gorizia/Görz nicht vorhanden erfolgte eine Überbetonung der Rolle der Venezianer, selbst wenn diese nur für wenige Monate vor Ort waren. Die Burg von Gorizia wurde nach den Zerstörungen des Ersten Weltkrieges zum Symbol des Wiederaufbaus und der nationalen Stärke im Nordosten Italiens (Ulmer 1999, 23-28). Mit dem unglaubwürdigen Arrangement mittelalterlicher und historisierender Bauelemente entstand ein Kulturdenkmal der Ära Mussolini, welches über die Idee römischen Ursprungs aller wesentlichen Kulturinventionen im provinzialen Gebiet hinaus geht. Das Römische Reich, als Vorbild und Beispiel, spiegelt sich auf dem Burgberg von Triest wieder, wo Theater und Kapitol ohne Rücksicht auf mittelalterliche Substanz umfangreich wiederhergestellt/neu geschaffen wurden. Die Qualität der Maßnahmen in den 20er bis 40er Jahren soll hier nicht weiter diskutiert werden, zumal primär an Kirchen Umbauten erfolgten.
Als schlimmes Beispiel sei noch die Klosterburg Castelmonte erwähnt, bei der die Fassaden ähnlich den angeführten deutschen Burgen dem Zeitgeschmack angepasst wurden (vor derartigen Verfehlungen war auch die Nachkriegszeit nicht gefeit: in den 50er Jahren wurden Stuck und Fresken "restauriert", so dass kaum etwas vom Aussehen des mittelalterlichen Komplexes erhalten blieb). Die unterschiedlichen kulturpolitischen Interessen Italiens und Deutschlands der 30er und 40er Jahre führten letztlich in Norditalien zu geringeren Eingriffen an den Burgen. Mit der Präsenz Deutscher ab September 1943 änderte sich das nicht, da in der "Operationszone Alpenvorland & Adriatisches Küstenland" keine Bau- oder Grabungsprojekte verfolgt wurden und die eingesetzte SS-Ahnenerbe-Abteilung unter Gauleiter Friedrich Rainer allein gezieltem Raub von Kunst- und Kulturgut nachging (PETROPOULOS 1999, 154).