Die Landesverwaltung im Friaul zwischen dem 9. und 13. Jh.
Das karolingische Lehnwesens löste in Norditalien, wo unter langobardischer Landesverwaltung eine Belehnung nach Vorbild des Frankenreiches stattfand, die bis 813 volksrechtliche Verfassung des Karolingerreiches ab. Besondere Bedeutung erhielt das beneficum verbo regis, ein vom König verliehenes Lehen aus Kirchenbesitz, das bis auf einem auf dem Zehnt basierenden Leih- oder Pachtvertrag kein Vasallitätsverhältnis nach sich zog (vgl. PITZ 1990, 118f). Auf dieses stützte sich Berengar I. (*850/853, † 07.04.924; 888-924 König von Italien, 915 Kaiser), Sohn des Markgrafen Eberhard von Friaul († 864/866) und der Tochter Ludwigs I. Gisela, obwohl diese Feudalstrukturen die Ausweitung seiner Macht begrenzten. Er erbte 874 den Markgrafentitel von Friaul, unterstützte fortan den Anspruch der ostfränkischen Karolinger auf die italienische Königswürde und zählte zu den wichtigsten Parteigängern Karls III. (*839, † 13.01.888).
Nach der Absetzung Karls III. durch seinen Neffen Arnulf I. von Kärnten (*um 850, † 08.12.899) ignorierte Berengar das Thronrecht der Karolinger und ließ sich 888 zum König von Italien erheben. Er wagte es aber weder, die karolingische Reichsordnung gegenüber Arnulf in Frage zu stellen, noch Wido von Spoleto († 894) und dessen Sohn Lambert (*876?, † 898), die sich außerhalb dieser sahen, etwas entgegen zu setzen. Seine nur in N-O-Italien ausgebaute Herrschaft wurde durch die Ungarn 899/900 ernsthaft gefährdet. Den zu Hilfe gerufenen und gekrönten Ludwig von der Provence (*um 880, † 928, der Blinde) verdrängte Berengar allerdings 905 und sicherte sich so die angestrebte Macht in N-Italien. Mit Unterstützung Johannes X. erlangte er 915 die Kaiserkrone und vertrat die karolingischen Interessen als advocatus ecclesiae über Italien hinaus, bis ihm sein Regnum durch Rudolf II. von Hochburgund (*um 880/885, † 11./13.07.937) 923 abgerungen wurde. Nach der Ermordung Berengars 924 trat erst mit Otto I. (23.11.912, † 07.05.973, der Große) 962 wieder ein westlicher Kaiser in Erscheinung, der nach dem Tod Ludwigs II. von Niederburgund 950 und der Regentschaft Berengars II. d`Ivrea ab 952 die italienische Krone trug.
Ob unter den friulanischen Befestigungen parallel zu den beschriebenen Vorgängen "Heinrichsburgen" entstanden, bleibt offen. Heinrich I. (*um 876, † 02.07.936) veranlasste im Zuge der Streifzüge der Ungarn (900-955), die zu den größten Umwandlungen in der Bevölkerungsstruktur Friauls führten und sich im archäologischen Fundgut niederschlugen (SCHULZE-DÖRRLAMM 2002, 109-122), eine Verstärkung der Bemannung der Burgen, ihrer Versorgung und zusätzlichen Befestigung (Widukind I/35; BAUER/RAU 1990), die, so die Quellen reale gesellschaftliche Verhältnisse widerspiegeln, auch diese Region erfasst haben werden. Der Erlass bezog sich auf Befestigungen der Zentralgewalt und selbst locata privata (Ex Miracula St. Wigberti, Cap. 5; JÄSCHKE 1975), um der realen Bedrohung Kraft des Herrschaftsanspruches gegenüber den Vasallen Herr zu werden (z.B. TAUBER 1991, 27).
Ungeachtet dessen kennzeichnet die primo incastellamento benannte Phase mit ansteigender Überlieferung von als castrum oder castellum bezeichneten Anlagen die innenpolitische Unsicherheit im 1. Viertel des 10. Jh. und die anhaltende Angst vor Ungarn und Sarazenen (noch in Erinnerung der Ereignisse 875-77; CORBANESE 1984, 154f). Ebenso als Reaktion auf einen starken Bevölkerungszuwachs zu deuten, verfolgte sie das Ziel einer besseren Kontrolle wirtschaftlicher Entwicklung in den neuen Grundherrschaften Norditaliens bis hin nach Latium (DELOGU 1988, 489-499/TOUBERT 1988, 411-420).
Die Begriffe castrum und castellum entstammten dabei einer spätrömischen und teilweise langobardischen Tradition und bezogen sich vorerst nicht auf solitäre Befestigungen eines Feudalherren. Entgegen der Vorstellung von "Heinrichsburgen" waren damit ganze Siedlungen gemeint, die als rocca castri mit einem befestigten Kern Feudalherren mit Gefolge als Sitz dienten. Bis ins Spätmittelalter war Oberitalien überwiegend nach curtes/Domänen organisiert, die trotz vorhandener Umfriedungen, keinen eigenen Befestigungstyp darstellten und als nichtmilitärischer Bereich später zu einem palatium/castrum gehörten. Die als castelli curtensi bezeichnete castra sicherten über das 11. Jh. hinaus den Schutz der curtes und existierten bis ins 15. Jh. als befestigte Siedlungszentren abseits der Städte und Hauptverkehrswege (TOUBERT 2000; LexMA2, 973-975).
Der Neuansatz im Burgenbau und das Nebeneinander von Hof und Burg ist keine Eigenentwicklung der fränkischen Expansion, die aus offensichtlich pragmatisch-funktionalen Gründen innerhalb des ehemals römischen und agrarisch wirtschaftenden Territoriums inhaltlich und strukturell an die vorgefundenen spätantiken Verhältnisse und Anlagen anknüpfte. Dennoch ist darin keine Tradierung spätantiker Wirtschaftsweise und Verwaltungsstrukturen zu sehen, da die für die Verteidigung wichtigen Eigentumsverhältnisse nur anfänglich beibehalten wurden (vgl. BRACHMANN 1993, 207). Die sich durchsetzende Trennung von Hof und Burg fällt als Phänomen der fränkischen Landessicherung auch in den ostrheinischen Territorien auf und ist auf eine angestrebte einheitliche Verwaltung zurück zu führen.
Das den Karolingern als Bollwerk gegen die Awaren geltende Herzogtum Friaul war nach dem Vorbild anderer Grenzgebiete des Reiches in eine Mark umgewandelt worden. Als solches besaß es diesem Umstand angepasste Verwaltungsstrukturen und Aufgaben, von der Versorgung eingerichteter Garnisonen bis hin zur Aushebung von Truppen. Der Grenzschutz scheint auf den ersten Blick wegen der 795 gebildeten pannonischen Mark und der 828 mit einem bayrischen Markgrafen besetzten Krain zweitrangig gewesen zu sein. Die Julischen Alpen bildeten aber weiterhin die natürliche Grenze des italienischen Königreiches, trotz der sich dahinter weiter ausdehnenden Reichsgebiete, und wurde zum Ausbau eines Verteidigungssystems an den Mündungen der Passstrassen in die friulanische Ebene genutzt.
Die Mark gliederte sich in mehrere Grafschaften, die dem praefectus limitis bzw. marchio unterstanden, der in Eigenschaft eines comes eine Grafschaft selber verwaltete. Verwaltungseinheiten und Burgbezirke waren bereits zuvor ausgeformt, ähnlich dem Süd-Ost-Deutschen Raum (BILLIG 1995, 9). Mit der Grafschaftsverwaltung festigten die Karolinger das Reich erstmals unter einer einheitlichen Führung. Sie reorganisierten die Kirche und banden sie in ihr expansives Programm ein. In Konsequenz sollte sie später auch das Befestigungsrecht auf dem vom Reich überantworteten Besitz übernehmen.
Mit dem Ende des Regnum italicum und der Krönung Ottos I. wurde Friaul als Bestandteil der Marca Veronensis et Aquileiensis (später Mark von Treviso) im Jahre 952 dem deutschen Reich angegliedert und mit Kärnten Herzog Heinrich von Bayern (*919/922, † 01.11.955) unterstellt worden. Die neue Mark Verona umfasste die Komitate Venetien, Friaul und Trient und entsprach ohne Venedig und dem an die byzantinische Romania grenzenden Raum zwischen Etsch und Po dem modernen Venetien. Friaul selbst wurde zu einer Grafschaft der Mark und fiel 976 an das von Otto II. (955, † 07.12.983) gegründete Herzogtum Kärnten.
Nach dem Tod Heinrichs II. (*06.05.973/8?, † 13.07.1024) wurde der Salier Konrad II. (*990, † 04.06.1039) am 04.09.1024 zum König gewählt und kurz darauf gekrönt. Er und der 1028 gekrönte Heinrich III. (*28.10.1017, † 5.10.1056) förderten den Ausbau Friauls nach einer desolaten Ära. Um die deutsche Herrschaft nach König Arduino d`Ivrea (*ca. 955, † 1015; König 1002) gegenüber aufständischen Lehnvasallen dauerhaft zu sichern, war Konrad II. im Februar 1026 über das abtrünnige Kärnten unter Konrad II. (*1002, † 20. Juli 1039, der Jüngere) nach Italien aufgebrochen, um in Mailand die lombardische und am 26.04.1027 die Kaiserkrone zu empfangen. Die Sicherung der italischen Besitzungen führte neben einem Zuzug deutscher Siedler zur Errichtung zahlreicher Befestigungsanlagen im während des Landesausbaues von einer Grenzzone zu einem Grenzstreifen zusammen-geschmolzenen territorialen Abschlusses im Norden und Nordosten, dem Vorfeld der Landschaften und Kulturräume verbindenden Passstrassen über die Julischen Alpen. Diese besaßen eine klar definierte Aufgabe neben den üblichen Funktionen einer grundherrschaftlichen Burg. Cucagna zählt neben den Anlagen Heinrichs von Bayern und der Grafengeschlechter Treffen/Treven, Ozi, Naum, Turdegowo, Zeltschach, Kärnten, Pozul, Mosburg und Eppenstein (ZAHN 1883, 15) zu diesen Gründungen (CZOERNIG 1873, 689).
Bereits vorhandene, einfach strukturierte Anlagen, hatten sich im Lauf des 10. Jh. während der Erhebungen kleiner Vasallen gegen ihre zumeist geistlichen Lehnsherren bewährt. Weitere Lehen an deutschen Adel und neue Burgen sollten der Sicherung der Landesherrschaft dienen. Nach ersten Unruhen 1002 und 1024 kam es 1035 zu einem allgemeinen Aufstand der valvassores, der 1036 ganz Oberitalien ergriff und den Bestand des Reiches gefährdete. Konrad II. unternahm daraufhin einen zweiten Italienzug, konnte aber nicht auf die Lehnvasallen mit quasi autonomen Befestigungsanlagen verzichten. So erzwang der Lehnadel mit einem Urteil der curia parium in der Constitutio de feudis 1037 von Konrad II. eine schriftliche Garantie für die Erblichkeit der Lehen und die Kodifizierung lehnrechtlicher Normen für die herrschaftstragenden Familien/capitanei und kleine Vasallen(-krieger)/valvassores im Liber feudorum (KELLER 2000, LexMA 5, 1811-1813).
Die Salier hegten gegen die ansässigen lokalen Feudalherren weiter ein ausgeprägtes Misstrauen. Besonders Heinrich IV. (*11.11.1050, † 07.08.1106) sah in Italien Schwierigkeiten, allerdings mehr gegenüber Reformpapsttum als Lokalherren. Anfangs angesichts innerdeutscher Spannungen um eine ruhige Lage in Italien bemüht, weshalb er Gregor VII. bei der Umsetzung der Gregorianischen Reformen unterstützte, provozierte der Investiturstreit um den Mailänder Erzstuhl 1075 Konfrontation. Die Geschehnisse bis zum Bußgang nach Canossa 1077 sind allgemein bekannt.
Auch nach den Italienzügen Konrads II. wurde ein Zuzug bayrischer und schwäbischer Adliger protegiert, die sich bis Mitte des 12. Jh. in den Lagern der Guelfen und Ghibellinen, dem Pendant zu Welfen und Staufern und entsprechend Parteigänger von Otto IV. (*1175/ 1176, † 19.05.1218) oder Friedrich II. (*26.12.1194, † 13.12.1250), positionierten (vgl. CORBANESE 1984, 198f & 187-196). Die Ghibellinen bestanden auf dem Besitzanspruch des Reiches in Oberitalien und wandten sich gegen das Papsttum. Als herausragendster Vertreter dieser Partei formte Ezzelino III. da Romano (*25.04.1194, † 01.10.1259) aus seinem Besitz, den Gütern um Treviso und Vicenza sowie den Signorien von Vicenza, Padua, Belluno, Feltre und Trient ein Machtgebilde, das im Streit zwischen Friedrich II. und dem Städtebund der zweiten Lombardischen Liga besondere Bedeutung erhielt.
Ezzelino verpflichtete sich als Lehnvasall des Reiches Friedrich II. durch die Heirat mit dessen Tochter Selvaggia besonders. Er sicherte die Verbindungswege durch die Etsch-Täler, die Brenta und die Piave entlang durch Friaul bis nach Aquileia und kontrollierte neben den aristokratisch geführten Territorien auch die Städte mit absoluter Autorität. Für den Kaiser hatte er u.a. bei Cortenuova (12.04.1239) und der erfolglosen Belagerung von Parma (1247-48) gegen die Lombardische Liga gekämpft und wurde mit jenem im Zuge des von Innozenz IV. gegen die Ghibellinen ausgerufenen Kreuzzuges als Häretiker exkommuniziert, was seine Machtfülle nicht beeinträchtigte. Trotz des zusätzlichen Ausbaus der Burgen angesichts der Verwüstung durch die Tataren in Kroatien 1242, verschob sich die politische Gewichtung zu seinen Ungunsten, zumal das Patriarchenamt von Aquileia mit dem Tod Bertoldus von Andechs-Merania 1251 nicht mehr durch Vertreter der deutschen Adelsfamilien besetzt wurde. Mit dem Tod Ezzelinos 1259 löste sich der Bund der Ghibellinen auf, dessen Name durch Benedikt XII. 1334 geächtet wurde.