Der heilige Löwe des Grabes von Maia wird entschleiert
Die französische archäologische Mission Bubastis (MAFB), die unter die Zuständigkeit des französischen Außenministeriums fällt und die vom Ägyptologen des CNRS Alain Zivie geführt wird, hat im Jahre 2001 einen Löwen entdeckt, der später im Grab von Maia (der königlichen Amme des Pharaos Tut-ench-Amun) in Saqqara begraben wurde. Die vollständige Studie des Skeletts wurde im Jahre 2002 fortgesetzt. Die Schlussfolgerungen wurden am 15. Januar 2004 im renommierten Fachjournal „Nature“ veröffentlicht. Die Überreste dieser in Gefangenschaft gehaltenen Großkatze, bestätigen die Existenz eines Kultes um dieses Tier und die Mumifizierung vor seiner rituellen Beerdigung.
Einige klassische Autoren (aus griechisch-römischer Zeit) und Inschriften aus der Pharaonenzeit bestätigen die Anwesenheit von Löwen (Panthera leo) unter den üblicherweise als „heilig“ qualifizierten Tieren, die Gegenstand eines Kultes im ehemaligen Ägypten waren. Da diese Tiere mit bestimmten Göttern verbunden waren, wurden sie gefüttert und gepflegt, bevor sie mumifiziert und in besonderen Gräbern oder Katakomben begraben wurden. Bislang habe es jedoch keine handfesten Beweise für diese Berichte gegeben, da man, mit Ausnahme von zerstreuten Gebeinen aus dem archaischen Zeitalter, die in Abydos gefunden wurden, bislang keine Löwen in Ägypten entdeckt hatte.
Im Herbst 2001 änderte sich diese Situation mit der französischen archäologischen Mission von Bubastis (MAFB), die seit etwa zwanzig Jahren in Saqqara an der Steilküste von Bubastis unter Aufsicht des obersten Rates für ägyptische Altertümer arbeitet. Während der Ausgrabungen entdeckten sie das vollständig erhaltene Skelett eines Löwen, der, bestimmter Zeichen zufolge, mumifiziert wurde (Position der Beine, Färbung der Knochen). Die Entdeckung erfolgte in den „Katzenkatakomben“, die mit dem Kult der Katzengöttin Bastet in Verbindung gebracht werden. Diese Katakomben wurden in einem viel älteren Grab aus der 18. Dynastie eingerichtet (14. Jh. v. C.), jenem von Maia, die als königliche Amme des jugendlichen Pharaos Tut-ench-Amun diente. Dieses bedeutende Grab des neuen Kaiserreichs wurde ebenfalls durch das MAFB im Jahre 1996 entdeckt.
Die Archäozoologin Cécile Callou hat sich auf die Messungen jedes anatomischen Elements des Löwen konzentriert, um eine genaue Vorstellung von seiner Gestalt und nicht nur seiner Größe zu erhalten und um ihn mit dem derzeitigen Datenbestand zu vergleichen. Sie hat herausgefunden, dass es sich dabei um ein ausgewachsenes männliches Tier handelte, das an Altersschwäche starb. Zahnerkrankungen (bis zum Zahnfleisch abgenutzte Zähne, rückläufige Geschwüre) und gebrochene Rippen sind der Grund dafür, dass das Tier nicht in Freiheit leben konnte. Es gibt jedoch noch weitere Fragen bezüglich dieses Löwen, zum Beispiel:
- Woher kommt er?
- Wann genau lebte er zwischen dem 6. Jahrhundert v. Chr. und dem 1. Jahrhundert n.Chr.?
Diese Fragen werden hoffentlich durch spätere Analysen und Forschungsarbeiten in Ägypten und in Bibliotheken beantwortet werden können. Möglicherweise sei das männliche Tier als Verkörperung des Gottes Mahes verehrt worden, des Sohnes der Löwengöttin Sekhmet. Da diese Göttin jedoch selbst eng mit der Katzengöttin Bastet verbunden war, die einen Kult in diesem Teil von Saqqara betrieb, ist es verständlich, dass der Löwe unter den Resten unzähliger mumifizierter Katzen wiedergefunden worden ist. In diesem Kontext bestätigt dieser Löwe (der erste vollständige Löwe aus dem historischen Zeitalter, der in Ägypten entdeckt wurde), dass dieses Tier nicht nur in der Stadt von Leontopolis verehrt wurde, sondern auch in der großen Stadt von Memphis begraben wurde, deren Nekropole Saqqara war.