Zerstörungshorizont

Eine archäologische Collage über den Krieg

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Museen & AusstellungenKonflikte & Krisen

Vom 22. Februar bis 4. Mai 2003 ist in der Archäologischen Sammlung der Universität Freiburg im Breisgau eine Ausstellung zu sehen, die sich mit dem Phänomen Krieg beschäftigt. Es werden Gründe, Abläufe und Konsequenzen von Kriegen des 3. Jahrtausends vor Christus bis 1945 beleuchtet.

Aus aktuellem politischem Anlass entschlossen sich Freiburger Dozenten und Studenten, einen Beitrag zur Aufarbeitung des Themas "Krieg" zu leisten. In den einzelnen Modulen der Ausstellung kann keine vollständige Darstellung kriegerischer Menschheitsgeschichte präsentiert werden. Vielmehr sind einzelne Ereignisse collagenartig komponiert, die besondere historische Bedeutung und überzeitlichen Symbolgehalt besitzen.

Konflikte im Alten Orient - von Eannatum bis Saddam

Der Themenbereich "Blut für Wasser" zeigt Konflikte um Wasser und andere Ressourcen, die besonders im Zweistromland eine lange Tradition entfalten: Im alten Orient wurden Kriege fast ausschließlich aus ökonomischen Interessen geführt. Schon in frühdynastischer Zeit (ca. 2850 bis 2350 v. Chr.) entschied der Zugang zu den knappen Wasserreserven über die weitere Existenz oder den Untergang ganzer Staaten. Im Süden Mesopotamiens hatte sich ein System benachbarter, politisch unabhängiger Stadtstaaten entwickelt. Aufgrund der niedrigen Niederschlagsmengen war Landwirtschaft nur mit künstlicher Bewässerung möglich. Ein groß angelegtes Netzwerk von Kanälen versorgte das Land mit dem Wasser von Euphrat und Tigris.

Eroberung einer Stadt in Nubien.
Das Bild gehört zu einem langen, 1,14 m hohen Relieffries, auf dem die Kriegszüge des Königs Assurbanipal (668-631 v. Chr.) in Oberägypten dargestellt sind. Die eroberte Festung liegt oberhalb eines Flusses. Rechts und links, in je zwei Registern angeordnet, erscheint das assyrische Heer, dessen Spitze die Mauern mit Hilfe von Leitern erstürmt. Gleichzeitig werden aus dem Tor bereits die Gefangenen herausgeführt, durch ihre Tracht als Nubier gekennzeichnet.
(Foto: Archäologische Sammlung Uni Freiburg)

Ein Konflikt zwischen den Stadtstaaten Umma und Lagaš ist durch zahlreiche Bild- und Schriftdokumente überliefert. Streitpunkt in der fast 150 Jahre dauernden militärischen Auseinandersetzung war ein wichtiger Kanal im Grenzgebiet. Die nördlich gelegene Stadt Umma konnte die Wasserzufuhr dieses Kanals und somit die südlich liegenden Äcker im Territorium von Lagas kontrollieren.

Auf dem Höhepunkt des Konflikts besetzte Umma ca. 2480 v. Chr. das umstrittene Gebiet. Der Herrscher Eannatum von Lagaš zog daraufhin wenige Jahre später gegen die Invasoren in den Krieg. Er drängte die Eindringlinge zurück und eroberte schließlich die Stadt selbst. Doch der Sieg konnte den Streit nicht dauerhaft lösen. Vertraglich wurde Umma zwar ein Teil des Grenzgebietes zugesprochen, jedoch in Verbinung mit hohen Pachtabgaben an Lagaš . Schon wenige Jahre später kam es zum erneuten Krieg - ein absehbarer Vorgang, der sich bis heute allzu häufig wiederholt hat.

Ein weiterer ökologisch motivierter Konflikt wird unter dem Titel "Die Zeder wächst am Libanon" vorgestellt. Neben Wasser und Land gewinnen im Lauf der Bronzezeit Rohstoffe wie Metalle, repräsentative Steinsorten und Holz an Bedeutung. Sie waren im mesopotamischen Kernland nicht ausreichend vorhanden. Der Bedarf an diesen Ressourcen stieg, je komplexer sich die Gesellschaftsstruktur entwickelte. Neben den friedlichen Güteraustausch trat die gewaltsame Aneignung immer mehr in den Vordergrund. Insbesondere die Großreiche nutzten ihre militärische Überlegenheit und raubten die begehrten Rohstoffe in den militärisch schwächeren Nachbarregionen.

Unverblümt beschreibt Maništusu, der Herrscher von Akkad (2340-2223 v. Chr.), seine Plünderung von Städten und die Ausbeutung von Ressourcen in einer Region auf der anderen Seite des Persischen Golfes. Die Siedlungen dort waren klein, weit von Akkad entfernt und stellten keine Bedrohung für das Großreich dar.

Eine Inschrift schildert den Feldzug des Königs: "Die Städte auf der anderen Seite des Meeres, zweiunddreißig an der Zahl, versammelten sich für die Schlacht, aber Maništusu war siegreich. Weiter eroberte er ihre Städte, schlug ihre Herrscher nieder und danach bewegte er seine Truppen, plünderte bis zu den Silberminen. Er brach den schwarzen Stein der Berge über dem unteren Meer, lud ihn in Schiffe, befestigte die Schiffe am Kai von Agade."

Militärische Übergriffe als Mittel zur Beschaffung von Rohstoffen außerhalb des eigenen Herrschaftsbereichs fanden einen Höhepunkt unter den Assyrern (Ende des 2. und 1. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr.). Die Größe Assyriens basierte auf der ökonomischen Ausbeutung unterlegener Gebiete.

Von diesen militärischen Auseinandersetzungen zeugen auch originale Exponate der Ausstellung: Dolche, Schwerter, Lanzenspitzen, Keulenköpfe und Pfeilspitzen aus dem persischen Raum des 3. und 2. Jahrtausends v. Chr. Die feine Ästhetik dieser Waffen scheint den Krieg in den Augen des modernen Betrachters beinahe steril zu kultivieren.

Modelle altorientalischer Streitwagen indes helfen beim Verständnis einer Kontinuität in den Bildprogrammen: In ebensolchen Wagen zeigen großdimensionierte Poster den irakischen Staatschef Saddam Hussein - überflogen von einer Friedenstaube.

Kriegspropaganda bei den alten Griechen und Römern

Ihren Platz finden auch Darstellungen des Abschieds der Kämpfer von ihren Familien sowie Bilder von Mord- und Totschlag aus der griechischen Kunst. Bilder, die zum Teil in ihrer Ausdrucksstärke an Szenen erinnern müssen, mit denen die heutigen Medien den Zuschauer konfrontieren, die zum Teil aber auch Blutigkeit und Brutalität zugunsten klassischer Schönheit eher unterdrücken.

Der aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehende Todesstoß für ganze Völker und Städte wird exemplarisch am Beispiel Karthagos vorgeführt: Zwei punische Kriege, die die Macht der einst blühenden Handelsstadt bis zur Bedeutungslosigkeit beschnitten hatten, reichten der damaligen Weltmacht Rom nicht aus. Ein Politiker, der durch seinen Ausspruch "Ceterum censeo Carthaginem esse delendam" noch heute als fester Programmpunkt im Lateinunterricht auftaucht, scheute keine Mühen, bis im Jahr 146 v. Chr. die bedeutende Kultur der Karthager durch die Zerstörung ihrer Hauptstadt endgültig ausgelöscht wurde. Die hier von Archäologen ergrabenen Zerstörungshorizonte mit bis zu 2 Meter starken Schuttschichten suchen in der Welt ihres Gleichen.

Eine Kaisergalerie dokumentiert den für die römischen Herrscher wie schon für die Feldherren in der Republik (510 bis ca. 31 v. Chr.) wichtigen militärischen Erfolg. Meist wirkte sich schon beim Herrschaftsantritt die Erfahrung auf militärischem Gebiet entscheidend aus, aber auch in der nachfolgenden Regierungszeit bestimmte der kriegerische Erfolg über die Beliebtheit bei Senat und Volk von Rom. Um sich der Treue der Soldaten zu versichern, war er unerlässlich.

Im dritten Jahrhundert (ab 235 n. Chr.) bekommt dieser Faktor besondere Bedeutung: Die Machthaber werden vom Militär nach Belieben ernannt und ebenso schnell wieder gestürzt, wenn der Sieg bei den Feldzügen ausbleibt.

Die Bedeutung der Unterwerfung fremder Völker unter die Macht des römischen Reiches spiegelt sich bei fast allen Kaisern durch Beinamen wie Germanicus, Britannicus, Armeniacus und Parthicus oder eine Fülle von Imperatorentiteln in der Herrschertitulatur wieder. Selbst bei den in die Geschichtsbücher als Friedenskaiser eingegangenen Cäsaren finden sich diese Titel zuhauf, gleichgültig ob sie wirklich im Feld lagen oder nur einen Propagandafeldzug exerzierten.

Bombardements zur Demoralisierung der Zivilbevölkerung - von Dresden bis Freiburg

Schließlich runden Bilder und Filmdokumente über die Neuzeit die Konfrontation des Besuchers mit dem Phänomen Krieg ab. Kriege des 19. Jahrhunderts sind präsent durch Schädel und karge Uniformreste von Gefallenen der Völkerschlacht von Leipzig (1813).

Der Zweite Weltkrieg wird in einer separaten Dokumentation historischer, zum größeren Teil bislang noch nicht gezeigter oder veröffentlichter Fotografien des Universitätsarchivs in Erinnerung gerufen. Insbesondere die erschütternde Auflistung Freiburger Bombenopfer läßt manch älteren Bürger der Stadt stehenbleiben und noch einmal nach Namen suchen.

Fundstücke der Ausgrabungen in der Dresdener Innenstadt rund um die Frauenkirche, erstmals ausgeliehen vom Sächsischen Landesamt für Archäologie, dokumentieren in ihrer Schlichtheit die unmenschlichen Folgen und Konsequenzen jedes militärischen Konflikts: verkohltes Kriegsspielzeug der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts aus einem zerstörten Einzelhandelsgeschäft; Fragmente zweier tönerner Spottmasken aus der Werkstatt eines namentlich nicht bekannten Bildhauers, deren Porträtzüge die Dargestellten als Hitler und den damaligen Dresdener Gauleiter Mutschmann erweisen.

An den unmenschlichen Folgen jedes militärischen Konflikts, so edelmütig und aufrichtig Argumente für den Krieg von den jeweils verantwortlichen Machthabern auch vorgebracht werden, läßt die Ausstellung "Zerstörungshorizont" keinen Zweifel aufkommen.