Frühester Zeustempel in Olympia
Der Vorgängerbau eines Weltwunders entdeckt
Auch nach 125 Jahren deutscher Ausgrabungen in Olympia, deren Ergebnisse längst zum Allgemeingut der Wissenschaft geworden sind, ist die Erforschung des berühmten Zeusheiligtums und Ursprungsortes der olympischen Spiele noch längst nicht abgeschlossen und schreitet lebhaft voran. Ein im Umfang sehr begrenztes, auf den ersten Blick unscheinbares Grabungsunternehmen vom Februar dieses Jahres, erbrachte ein überraschendes Ergebnis, durch das ein altes Forschungsproblem in Olympia gelöst worden sein dürfte.
Seit den großen Ausgrabungen des 19. Jahrhunderts galt es als sicher und ausgemacht, dass der erste und einzige Tempel des Zeus von Olympia erst im frühen 5. Jahrhundert entstanden sei, eben jener frühklassische Bau mit dem berühmten Skulpturenschmuck, der die kolossale Zeus-Statue des Phidias aus Gold und Elfenbein - eines der sieben Weltwunder - barg.
Der früheste Tempel des Heiligtums war der um 600 v. Chr. entstandene dorische Bau, der nach der zuverlässigen Beschreibung des Pausanias der Hera geweiht war. Zeus dagegen, so wurde angenommen, wurde anscheinend bis ins 5. Jh. v. Chr. unter freiem Himmel am großen Aschenaltar verehrt.
So unser aller Vorstellung, bis vor kurzem noch einmal ein unscheinbarer und meist übersehener Baurest ins Blickfeld geriet, der bereits 1879 freigelegt worden war. Es handelt sich um eine Steinsetzung östlich des Pelopion. Nachdem Wilhelm Dörpfeld in Olympia durch Nachgrabungen in den Jahren von 1908 bis 1929 die Existenz einer bronzezeitlichen Siedlung aus Häusern mit U-förmigem Grundriss nachgewiesen hatte, galt gesagter Baurest als Überbleibsel eines solchen prähistorischen Hauses, genauer gesagt als seine Apsis, und dabei blieb es.
Erst dem Scharfblick eines Mitarbeiters des DAI in Olympia, Jörg Rambach, der sich im Zusammenhang mit den Nachgrabungen am Pelopion auch näher mit den prähistorischen Apsidenhäusern befasste, ist die Beobachtung zu verdanken, dass diese Apsis auffällige Gemeinsamkeiten mit frühen Tempelbauten des 10. - 8. Jhs. v. Chr., der sog. protogeometrischen und geometrischen Periode Griechenlands, aufweist.
Sollte es sich also wider Erwarten um einen früheisenzeitlichen Bau handeln, der dann nach Größe und apsidalem Grundriss zu urteilen, nur ein früher Tempel sein konnte? Der früheste Zeus-Tempel von Olympia? Dies musste so lange eine begründete Vermutung bleiben, wie nicht durch Ausgrabungen noch materiell datierende Hinweise gewonnen werden konnten.
Die Ausgräber trafen unmittelbar unter dem Unterkantenniveau der Apsissteine auf die zerstörten und eingeebneten Reste eines prähistorischen Hauses, dessen teilweise noch in situ befindliches Keramikinventar diesen Bau ans Ende der Frühbronzezeit datiert. Der große Apsisbau war also auf jeden Fall später entstanden. Die klaren Grabungsergebnisse erweisen den Bau als nachbronzezeitlich. Verkohlte Holzreste der ehemaligen Stützpfosten werden hoffentlich aussagekräftige Radiokarbondaten ergeben. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass wir in der aus mächtigen Steinen gefügten bogenförmigen Grundmauer tatsächlich die Apsis des frühesten Zeus-Tempels von Olympia wiedergewonnen haben.