Königsgrüfte in Qatna
Im Königspalast wurde unerwartet eine Grabanlage entdeckt
Ein Team der Universität Tübingen unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Pfälzner (Vorderasiatische Archäologie) hat am 10. November 2002 unter dem Palast der Herrscher von Qatna (Syrien) Königsgrüfte aus der Späten Bronzezeit unter dem Palast der Herrscher von Qatna (Syrien) entdeckt. Die sensationelle Entdeckung gelang dem deutschen Ausgrabungsteam während einer zweimaligen Verlängerung der eigentlich auf Anfang Oktober terminierten Ausgrabungskampagne des Sommers 2002.
Die Verlängerung der Arbeiten war notwendig geworden, nachdem ein Archiv mit Keilschrifttafeln in einem Korridor des Kellergeschosses des Palastes entdeckt worden war. Die jetzt entdeckten Grüfte bestehen aus mehreren unterirdischen Felskammern. Sie sind mit steinernen Sarkophagen ausgestattet und besitzen ein umfangreiches Inventar an Grabbeigaben. Zum ersten Mal in der Archäologie Syriens ist es damit gelungen, königliche Gräber mit erhaltenem Grabinventar aus der Bronzezeit aufzudecken. Dieser Fund wird folglich erstmals ein Licht auf die Bestattungsweise und die Grabausstattung altsyrischer Könige werfen.
Die Ausgrabungen auf dem Ruinenhügel Tell Mishrife, der altsyrischen Stadt Qatna, werden seit 1999 von einem internationalen Archäologenteam aus Syrien, Italien und Deutschland durchgeführt. Der Ort liegt im Westen Syriens, ca. 200 km nördlich der syrischen Hauptstadt Damaskus und in der Nähe der modernen Großstadt Homs. Die im Rahmen dieses Kooperationsprojektes initiierten Ausgrabungen verteilen sich auf mehrere Stellen innerhalb der riesigen Stadtanlage. Ein Quadrat mit 1000 m Seitenlänge bilden die Festungswälle, die noch heute 20 m hoch erhalten sind.
15 Archäologen, Studenten und Experten umfasst das deutsche Team von der Universität Tübingen, das seit Anfang August in Syrien arbeitet. Sein Ziel ist die großflächige Aufdeckung der Palastreste. In dem durch das Tübinger Team (örtliche Leitung Dr. Mirko Novák) bearbeiteten Palastbereich liegen die entdeckten königlichen Grüfte.
Die unterirdischen Grüfte waren direkt vom Palast aus zugänglich. Eine Treppe, die ihren Ausgang höchstwahrscheinlich ehemals vom Thronsaal aus nahm, führte zwischen den Fundamenten des Palastes in die Tiefe. Am Ende der Treppe erreichten die Archäologen zunächst eine Tür, die mit einer Holzrahmenkonstruktion versehen war. Sie liegt ca. 4 Meter unter den Fußböden des Palastes. Die Tür öffnet sich auf einen 40 Meter langen Korridor, der im Niveau beständig abfällt, bis er eine Tiefe von ca. 7 Metern unter den Fußböden des Palastes erreicht. Er war ehemals mit einer Holzdecke abgedeckt, von der noch erhaltene Dachbalkenauflager ein deutliches Zeugnis ablegen.
Nach einem weiteren Türdurchgang knickt der Gang an der sehr tief hinabreichenden Außenmauer des Palastbezirkes ab und mündet in eine tiefe Kammer, die auf einer Seite in den Fels gehauen, auf der anderen Seite mit einer schweren Steinmauer eingefasst wurde. Dies ist die Außenkammer der Grabanlage. Der lange Korridor bildet somit einen direkten Verbindungsgang zwischen dem Thronsaal des Palastes und den königlichen Grüften.
Von der Außenkammer führt ein Türdurchgang in das Innere der vollständig in den Fels gehauenen Grabanlagen. Die Grabkammer selbst ist unverschüttet, Schutt und Erde blockieren allerdings noch ihren den Eingang. Verhängnisvoller für Leib und Leben der Archäologen wären jedoch giftige Schimmelpilze, die sich in der jahrtausendelang von der Luft abgeschlossenen Kammer ausgebreitet haben könnten. Der "Fluch des Pharao" wirkt nicht nur in Ägypten. Aus diesen Gründen dauert es noch mindestens eine Woche, bis die Grabkammer von den Archäologen betreten werden kann.
Mit Hilfe einer langen Stange, darauf montierter Filmkamera und einer kleinen Öffnung im verschütteten Eingang gelangen allerdings erste Aufnahmen vom Innenraum. Die Kammer enthält einen Sarkophag sowie zahlreiche Gefäße aus Keramik, Alabaster und Granit, die auf steinernen Bänken an zwei Seiten der Kammer stehen. Es handelt sich in einigen Fällen offensichtlich um ägyptische Gefäße, wahrscheinlich Geschenke von ägyptischen Pharaonen an die Könige von Qatna.
Von der Hauptkammer sind Zugänge zu drei weiteren Grabkammern erkennbar. In einer dieser Nebenkammern sieht man bereits einen zweiten Sarkophag. Somit ist schon zum jetztigen Zeitpunkt ziemlich sicher, dass die Felskammer nicht nur für eine Bestattung angelegt wurde, sondern dass es sich um die Grüfte des Herrscherhauses von Qatna handeln dürfte. Die Bestattungen datieren wahrscheinlich in das 14. Jh. vor Christus.
Die Freilegung der ausgedehnten Gruftanlage wird noch einige Wochen in Anspruch nehmen und sicherlich einige Überraschungen bereit halten. Schon bei den nächsten Arbeitsschritten, die Außenkammer muß bis auf ihren Fußboden hinab ausgegraben werden, sind weitere Funden zu erwarten.