Glasschale im Eimer
Ein überraschender Fund Monate nach der Grabung
Ausgelöst durch den Fund eines byzantinischen Bronzeeimers wurde im August 2001 im New Forest bei Hampshire (GB) ein Angelsächsisches Gräberfeld des 5. und 6. Jahrhunderts freigelegt.Allein die Entdeckung von sechs weiteren mit Bronzeblech verzierten Holzeimern, die den Toten als Grabbeigaben mitgegeben wurden, war für die Archäologen schon eine Besonderheit. Üblicherweise trifft man nicht mehr als ein bis zwei dieser Eimer in einem Gräberfeld an. Und doch sollte diese Grabungsstelle noch eine weitere Überraschung parat halten.
Eine kleine Glasschale mit einem Durchmesser von 13 cm und einer Höhe von knapp 4 cm wurde erst während den Konservierungsarbeiten der Funde im English Heritage Center for Archaeology in Portmouth entdeckt. Sie lag von Lehm umgeben am Boden eines der Holzeimer, ein bisher einzigartiger Befund.
Für die Restauratorin Margaret Brooks war die Entdeckung der Schale am Boden des Eimers ein Höhepunkt in ihrer Karriere: "Ich konnte es kaum glauben, als ich das erste mal das feine grüne Glas der Schale sah, völlig unerwartet, weil es in einem Eimer noch nie solch einen Fund gab. Es war eine unglaubliche Erfahrung sie Millimeter für Millimeter aus ihrem Versteck herauszuholen und festzustellen, daß sie noch völlig intakt ist." Bei diesem Fund handelt es sich um eine aus Mitteleuropa importierte vollständig erhaltene sog. Fränkische Glasschale, ein in Britannien sehr seltener Fund. Es ist schon verwunderlich, wie diese zerbrechliche Schale erst den weiten Transport und dann das angelsächsische Bestattungsritual überstanden hat
Diese Art der Glasware wurde im Mitteleuropa des 5. und 6. Jahrhunderts neu entwickelt, als der kulturelle Einfluß des römischen Reiches drastisch zurückging. Gläser dieser Art findet man hauptsächlich im Rheinland. Dort wurden sie wahrscheinlich von ehemals römischen Handwerkern gefertigt, die weiterhin in diesem Gebiet lebten. Von zeitgleichen römischen Glasprodukten unterscheiden sich diese "fränkischen" Gläser jedoch eindeutig durch eine einfachere Dekoration und Machart. Gläser waren zu dieser Zeit in weiten Teilen Europa ein Prestigegut und wurden, wenn man es sich leisten konnte, mit ins Grab gegeben.
Auch der Eimer als Grabbeigabe ist ein Phänomen, das im 5. und 6. Jahrhundert europaweit zu finden ist. Nicht selten kann man in ihnen noch Reste von Speisen oder Getränken nachweisen. Die Eimer sind dabei entweder vollkommen aus Bronze oder aus Holz, wobei die einzelnen Dauben durch Bronzebänder zusammengehalten werden. Dabei ist es ein interessantes Detail der Forschungsgeschichte, daß diese Bronzebänder in den Anfängen der Archäologie völlig falsch gedeutet wurden. Die Holzdauben waren vergangen und die einzelnen Bänder wurden von den Archäologen nicht im Zusammenhang gesehen. Aus diesem Grund hat man sie eine Zeitlang als Kronen oder Diademe gedeutet.
Bei den neuen Funden aus England war das Holz durch den Kontakt mit dem Metall mineralisiert. Es sich hierdurch die gesamte Struktur des Holzes erhält, ist es in einem Zustand, der eingehende Analysen der verwendeten Holzarten erlaubt. Drei der Eimer waren aus Eibenholz, die Holzart, die am häufigsten bei der Herstellung solcher Objekte Verwendung fand. Im weiteren konnte noch Pinie und wahrscheinlich Wacholder nachgewiesen werden. Sollte sich der Befund des Wacholderholzes bewahrheitet, wäre dies der erste Eimer aus solchem Holz, der jemals gefunden wurde.
Insgesamt brachte die Ausgrabung Speerspitzen, Messer, Pinzetten, Schildbuckel und Schnallen zu Tage. Darunter auch eine sog. Fränkische Gürtelschnalle mit Einlagen aus blauem Glas und Granat. Gerade die Fränkische Schale und die Fränkische Gürtelschnalle können als besondere Statussymbole bezeichnet werden, die mit ins Grab gegeben wurden um die Macht des Verstorben zu zeigen.
Nach Ansicht der britischen Archäologen läßt die großen Anzahl von Importgüter darauf schließen, daß im 5./6. Jahrhundert die Kontakte der angelsächsischen Elite zum Kontinent weit stärker waren, als man bisher angenommen hatte.