Die Religion der Kelten
fromm - fremd - barbarisch. Eine Ausstellung in Leipzig
Religion ist ein Phänomen, das verbindet und spaltet. Religiöse Konflikte sind bis heute weltweit an der Tagesordnung und bestätigen: Wer an einem religiösen System teilhat, wird zum Eingeweihten; wer sich daran anpasst, gilt als fromm; wer es in Frage stellt, wird zum Feind. Unverständlich oder sogar barbarisch wirken religiöse Rituale immer nur auf die Außenstehenden, die Anderen, die Fremden. Auch wir sind die »Anderen«, wenn wir versuchen, »fremde« Religionen zu begreifen, ob es nun heutige oder vergangene sind: »fromm - fremd - barbarisch« - mit diesen Schlagworten will die Ausstellung die Wirkung der »Religion der Kelten« beschreiben - auf die Kelten selbst, auf deren Zeitgenossen ebenso wie auf uns heute.
Eine große Anzahl archäologischer Funde aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz bieten Einblicke in die Welt der Druiden, deren Ursprung wahrscheinlich bis ins 5. Jh. v. Chr. zurückreicht und die die keltische Kultur maßgeblich geprägt haben. Da die Druiden ihre Lehren nicht aufgeschrieben haben und die Berichte der griechisch-römischen Zeitgenossen von dem Blick der "Fremden" geprägt waren, sind es vor allem Ausgrabungen, die Einblicke in die originären Mythen und Rituale der keltischen Religion gewähren. Gräber und Heiligtümer, Opfer und Magie haben ihre vielfältigen, häufig rätselhaften und manchmal blutigen Spuren im Boden hinterlassen.
Druiden, Mistelzweige und "Hinkelsteine" gehören zu den bekannten Klischees über die Kelten. Ziel dieser Ausstellung ist es, mit Hilfe der modernen Archäologie dem Besucher ein neues, konkretes und deshalb umso spannenderes Bild der Religion der Kelten zu zeigen.
Die Wahl des Ausstellungsthemas ist kein Zufall. Der einzige historische Druide, den wir durch Caesar und Cicero namentlich kennen, stammt aus Bibracte - aus der keltischen Stadt, an deren Ausgrabung die Universität Leipzig seit mehreren Jahren beteiligt ist. Die Ausstellung - deren Kern im Jahr 2000 unter dem Titel "Les druides gaulois" im Museum Bibracte zu sehen war - ist daher auch eine Gelegenheit, die Forschungsergebnisse der auf dem Mont Beuvray (Frankreich) gelegenen Grabung zu präsentieren. Diese erlauben einen Blick auf den Alltag einer der berühmtesten Städte Galliens im 1. Jh. v.Chr., deren religiöse und damit politisch führende Funktion erst durch die jüngsten Forschungen erkannt worden ist.
Die Innensicht der keltischen Religion wäre jedoch unvollständig ohne die Sicht der Anderen, der mediterranen Welt, die in Leipzig durch zahlreiche Gipsabgüsse präsentiert wird. Unter der Leitung des Instituts für Klassische Archäologie und Antikenmuseum der Universität Leipzig wurde ein Ausstellungsabschnitt konzipiert, der das Bild der "Kelten" aus Sicht der Römer und Griechen zeigt. Diese standen mit Mitteleuropa seit dem 7. Jh. v.Chr. in friedlichem Austausch. Das änderte sich mit den Keltenwanderungen, die um 400 v.Chr. einsetzten. Etrusker, Griechen und Römer lernten die "Kelten" oder "Gallier" durch Krieg und Grausamkeiten auf erschreckende Art und Weise näher kennen. Aber nicht das allein war die Ursache, dass die Kelten für den Süden zu den typischen "Barbaren" wurden. Der tiefere Grund lag in der Verletzung der griechisch-römischen Religiosität.
Nachdem die Kelten zwei der bedeutendsten Heiligtümer der Antike - das Kapitol in Rom und das Heiligtum von Delphi in Griechenland - zu erobern versucht hatten, wurden sie zum Feindbild schlechthin, das die bildende Kunst jahrhundertelang überliefert hat. Die Ausstellung versucht, den kulturellen Wurzeln dieser Klischeebildung nachzugehen anhand der Analyse der bildlichen Darstellungen der Kelten in ihrer Rolle als Feinde der Zivilisation. Durch die enge Zusammenarbeit der beiden archäologischen Institute der Universität Leipzig entsteht erstmals ein komplexes Bild keltischer Religion.
Unter diesem Aspekt erhält die Leipziger Ausstellung ihre Aktualität. Je nachdem, wo der eigene ethische Standort liegt und wie der eigene historische Blickwinkel beschaffen ist, können Fremde als tief religiöse Menschen oder im Gegenteil als Barbaren erscheinen. Die Ausstellung konfontriert die Besucher mit einer Erfahrung, die auch als ein Spiegel der Gegenwart verstanden werden darf.
Im Anschluss an Leipzig wird die Ausstellung in folgenden Museen zu sehen sein: Archäologiepark Belginum in Morbach im Hunsrück, in den Städtischen Museen Heilbronn, im Kantonalen Museum für Urgeschichte(n) Zug (Schweiz) und in den Museen der Stadt Hanau, Schloss Steinheim.